Johannesburg, Soweta, Pretoria, Kapstadt
Tourtagebuch
23.11.2003: Ankunft und erster Tag in Jo’burg
Der ThĂŒringer MĂ€nnerchor âArs Musicaâ ist wohlbehalten auf sĂŒdafrikanischem Boden gelandet. Empfangen wurden sie am Samstagnachmittag am Flughafen Johannesburg von den Mitgliedern der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Johannesburg. Es war ein herzlicher und warmer Empfang in SĂŒdafrika, nicht nur durch die angenehmen 25 Grad, die am Samstag hier herrschten, sondern auch wegen der Gastfreundschaft, fĂŒr die SĂŒdafrika steht. Am gestrigen Sonntag, ihrem ersten Tag in Johannesburg, hatte der Suhler Wieland MĂŒller, der in Johannesburg lebt, mit seiner Gemeinde ein eindrucksvolles Programm zusammengestellt.
Der Sonntag begann mit dem Gottesdienst, den Ars Musica mitgestaltete. Pfarrer Martin Frische, seit 30 Jahren in SĂŒdafrika zuhause, begrĂŒĂte die GĂ€ste aus Deutschland und weckte bei Gemeinde und Chor die Vorfreude auf die bevorstehende Woche. Ars Musica bedankte sich schon vorab mit einigen Liedern fĂŒr die Offenheit, mit der man empfangen und aufgenommen wurde. Beim anschlieĂenden gemeinsamen Essen kamen deutschsprachige Gemeindemitglieder, die seit Jahren in SĂŒdafrika leben, und die SĂ€nger aus Deutschland ins GesprĂ€ch. Persönliche Erfahrungen wurden vermittelt â von dem schwierigen Leben angesichts Armut und KriminalitĂ€t in diesem Land, aber auch von der paradiesischen Schönheit und unendlichen Weite, die SĂŒdafrika vermittelt. So erfuhren die Suhler MĂ€nner auch von dem Schicksal eines 25-jĂ€hrigen Gemeindemitglieds, das vor einigen Wochen bei einem brutalen Ăberfall lebensgefĂ€hrlich verletzt wurde, und jetzt auf dem langen Weg der Besserung sei. ĂberfĂ€lle, die so enden, sind in Johannesburg und Pretoria an der Tagesordnung, zĂ€hlt Johannesburg zu den StĂ€dten mit der höchsten KriminalitĂ€tsrate der Welt. Umso wichtiger ist es da, dass den Menschen der Glaube nicht verloren geht. Ein tiefer Glaube an Gott und Verbundenheit zu ihm ist hier in jedem Menschen zu erkennen.
Am Nachmittag besuchten die SĂ€nger das Township Soweto, SĂŒdafrikas berĂŒhmteste Schwarzensiedlung. Soweto ist bekannt geworden als StĂ€tte des schwarzen Widerstands gegen das UnterdrĂŒcker-System der Apartheid. Am 16. Juni 1976 fand hier ein Aufstand von SchĂŒlern gegen die stĂ€ndige Repression und unmenschliche Erniedrigung der Schwarzen durch die WeiĂen statt. Das jĂŒngste Opfer dieses Aufstands, der blutig niedergeschlagen wurde, war der 14-jĂ€hrige Hector Pieterson. Ihm ist heute ein Mahnmal und Museum gewidmet, in dem sich Ars Musica ĂŒber die Geschichte der Apartheid und die Kultur der Schwarzen in Soweto informieren lieĂ. Dort erzĂ€hlten Bilder und Worte dieses dunkelste Kapitel sĂŒdafrikanischer Geschichte, deren Spuren auch heute noch â bei der anschlieĂenden Fahrt vorbei an den Slums â zu sehen sind.
Weiter ging es dann zu einem Ort, der Ars Musica und seinen Zuhörern schon bekannt ist: âAmakhayaâ ist Zulu und heiĂt soviel wie âzu hauseâ. In diesem Waisenhaus leben etwa 40 Kinder und Jugendliche von drei bis 18 Jahren, die aus Ă€rmsten Familien stammen. Einige von ihnen sind vor ihren Familien, in denen sie missbraucht oder geschlagen wurden, geflohen. Viele wurden in das Haus von der StraĂe geholt, auf der sie sich â um Geld fĂŒr die Familie zu verdienen â prostituiert hatten. Unter ihnen sind auch Kinder, die an AIDS erkrankt sind. FĂŒr sie ist âAmakhayaâ ein Ort, an dem sie einen ruhigen und umsorgten Lebensabend verbringen â mit der Hoffnung auf jeden Tag, an dem sie in dem Camp herumtollen, spielen und singen können. Schon als Wieland MĂŒller im Dezember letzten Jahres von dem Waisenhaus erzĂ€hlte, hatte sich der Chor entschlossen, beim vergangenen Weihnachtskonzert Spenden zu sammeln. Jetzt, nachdem die SĂ€nger die Kinder kennengelernt haben, steht fest: Auch beim diesjĂ€hrigen Weihnachtskonzert wird Ars Musica wieder zu Spenden fĂŒr âAmakhayaâ aufrufen.
26.11.2003: Fantastische Schönheit und verzweifelnde Aussichten
Wieder liegen zwei ereignisreiche Tage hinter dem MĂ€nnerchor âArs Musicaâ, der sich derzeit in SĂŒdafrika aufhĂ€lt. Nach dem letzten Bericht brachen die SĂ€nger am Montag zu einem Tagesausflug nach Kapstadt auf. Gestern war fĂŒr die 37 MĂ€nner der erste Ăbungstag und eine EinfĂŒhrung in Politik und Gesellschaft SĂŒdafrikas angesagt.
Der Treck startete Montagmorgen um fĂŒnf Uhr zum Flughafen von Johannesburg. Nach einem zweistĂŒndigen Flug und 1800 Kilometern erreichte Ars Musica die sĂŒdlichste Metropole des afrikanischen Kontinents. Vor einer Tour durch die Innenstadt fĂŒhrte Reiseleiterin Friedel Herrmann die Gruppe an den Punkt, der bei jedem SĂŒdafrika-Besuch Pflicht ist â ans Kap der guten Hoffnung. Auch wenn sich hier, entgegen der landlĂ€ufigen Meinung, Atlantischer und Indischer Ozean hier nicht treffen â Geografen legten die Grenze zwischen den beiden Weltmeeren auf das 200 Kilometer östliche und noch sĂŒdlicher gelegene Kap Agulhas fest â vermittelte der andauernd stĂŒrmende Wind an diesem Ort einen Eindruck von den Sorgen, die KapitĂ€ne frĂŒher wie heute bei der Umschiffung des Punktes erfĂŒllen. Aber es sind nicht nur die Wellenbrecher, die hier an die raue KĂŒste schlagen und einen in staunendes Schweigen versetzen. Der sĂŒdliche Zipfel der Kap-Halbinsel ist heute ein beeindruckendes Naturreservat, in dem es eine unvergleichliche Vielfalt an Pflanzen, BlĂŒten und StrĂ€uchern zu erfahren gilt. Und dann schlieĂlich am Kap zu stehen und das GefĂŒhl zu haben, als Reisender aus dem entfernten Europa bis an diesen Punkt vorgedrungen zu sein, hat einige SĂ€nger in Staunen und Zufriedenheit versetzt.
Friedel Herrmann â die Reiseleiterin â ist SĂŒdafrikanerin mit Leib und Seele. Ihre GroĂeltern wanderten einst in die deutsche Kolonie Deutsch-SĂŒdwestafrika (heutiges Namibia) aus. Nach wechselnden Aufenthalten in Deutschland ist die Ă€ltere Dame froh, wieder in diesem Paradies zu leben. Und obwohl sie seit zehn Jahren in Kapstadt wohnt und nahezu tĂ€glich mit Touristen diese Tour ĂŒber die Kap-Halbinsel unternimmt, wird sie nicht mĂŒde, ob der Schönheit dieses Erdfleckens ins TrĂ€umen zu geraten. Und doch erzĂ€hlt sie mit beigemischter Wehmut in der Stimme ĂŒber ihre Jugendzeit in Namibia, ĂŒber das frĂŒhere Leben im sĂŒdlichen Afrika, als die Gesellschaft zwar noch von der Apartheid geprĂ€gt war, sie sich selbst aber sicherer fĂŒhlen konnte. SĂŒdafrika â das weltoffene und farbenfrohe Kapstadt ebenso wie Johannesburg â leidet heute unter einer erschreckend brutalen KriminalitĂ€t und der Unvereinbarkeit zwischen eingebrachter europĂ€ischer Kultur und dem Leben der Schwarzafrikaner. Aber SĂŒdafrika bedeutet, mit diesen Kontrasten zu leben.
Ein Tag Kapstadt â das war nicht mehr, als EindrĂŒcke zu sammeln, vom Kap der guten Hoffnung durch die englisch geprĂ€gten sĂŒdlichen Vororte Kapstadts in das Herz der Metropole, das aus wenigen historischen GebĂ€uden, hohen BanktĂŒrmen, vereinsamten GrĂŒnanlagen und Einkaufsmeilen am Meer besteht, zu jagen. Der Sturm, der schon am Kap zu spĂŒren war, lieĂ Wolken aufziehen und verhinderte leider, das Wahrzeichen Kapstadts â den Tafelberg â zu sehen und zu besteigen. Stattdessen konnte in SĂŒdafrikas gröĂtem und Ă€ltestem botanischem Garten, den Kirstenbosch Botanical Gardens, die Einmaligkeit der Pflanzenwelt SĂŒdafrikas in Ruhe bestaunt und genossen werden, bevor es, nach nur neun Stunden, schon wieder der RĂŒckflug nach Johannesburg angetreten werden musste.

Am gestrigen Dienstag hieĂ es dann fĂŒr Ars Musica âzurĂŒck an die Arbeitâ, denn schlieĂlich sind die SĂ€nger nicht nur zum Staunen und Erholen hier angekommen. Intensiv wurde noch einmal fĂŒr die Konzerte geprobt, die in den nĂ€chsten Tagen in Johannesburg, Soweto, Pretoria und Vanderbijlpark anstehen. Am Nachmittag entfĂŒhrte Dr. Erich Leistner, ein gebĂŒrtiger Deutscher, der seit knapp 50 Jahren in SĂŒdafrika lebt, den Chor in einen informativen wie verzweifelnden Vortrag ĂŒber SĂŒdafrikas Zukunft. GeprĂ€gt von jahrelanger Apartheid und dem heutigen Bestreben der ANC-Regierung um Thabo Mbeki, die Vorherrschaft der WeiĂen in politischen und wirtschaftlichen Positionen zurĂŒckzudrĂ€ngen, kĂ€mpft dieses paradiesische Land um ein normales Miteinander der Rassen. Was dazu fĂŒhrt, dass die weiĂe Bevölkerung sich heute und in Zukunft als Opfer einer neuen, umgekehrten Apartheid bedroht fĂŒhlt. SĂŒdafrika ist Entwicklungsland mit Potentialen, die aber nur gemeinsam entwickelt werden können.
Nicht nur die Armut der schwarzen Bevölkerung und die allgegenwĂ€rtige Gewalt, sondern auch die verheerende Zahl der Menschen, die mit AIDS infiziert sind, lĂ€hmen den Fortschritt in eine offene Gesellschaft. SĂŒdafrikaner mit hoher Bildung und beruflicher Qualifikation verlassen das Land, und Rassenproporze bei der Vergabe von ArbeitsplĂ€tzen â es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Managerposten zu 70 % mit Schwarzen und 30 % mit WeiĂen zu besetzen sind â lĂ€hmen das Wirtschaftswachstum weiter. Die Frage, die in GesprĂ€chen, zum Beispiel mit den deutschsprachigen Gasteltern der SĂ€nger, immer wieder aufkommt lautet: Wieso entscheidet man sich trotz aller Probleme, in diesem Land zu leben? Aber bei jedem, der Antwort darauf gibt wird deutlich: es ist die tiefe Beziehung zur atemberaubenden Schönheit dieses Landes, dieses verwirrende Mit- und Nebeneinander von Kulturen, das fĂŒr alle Probleme und Schicksale entschĂ€digt.
Am heutigen Mittwoch erwartet die SĂ€nger: ein Ausflug ins Landesinnere â Sightseeing in Johannesburg â ein Abend mit der Gemeinde.
27.11.2003: Alltag in SĂŒdafrika
Der fĂŒnfte Tag von Ars Musica in SĂŒdafrika ist vergangen und damit die zweite â anstrengendere â Halbzeit angebrochen. Eine afrikanische Shopping-Tour, ein spontanes Konzert im Krankenhaus und ein Abend mit den Jungen Leuten der Johannesburger Gemeinde gab den SĂ€ngern wieder viele bunte EindrĂŒcke mit auf den Weg.
Eigentlich war fĂŒr den Vormittag ein Konzert im JugendgefĂ€ngnis von Johannesburg geplant. Das musste aber ausfallen, denn die Jugendlichen, die dort einsitzen, hatten an diesem Tag wichtige SchulprĂŒfungen.
Kurzentschlossen planten die beiden Pfarrer der Gemeinde, Martin Frische und Wieland MĂŒller, einen Einkaufsbummel ĂŒber einen urtypischen afrikanischen Markt. In der gewohnten Kolonne von fĂŒnf Kleinbussen ging es stadtauswĂ€rts durch die bizarre Landschaft um Johannesburg, mit Kakteen und Palmen besetzte HĂŒgel, dichte AkazienwĂ€lder, vorbei an neuerrichteten Wohnsiedlungen und BlechhĂŒtten-Slums. Auf dem Markt angekommen, konnten die MĂ€nner nicht nur aus einer Vielzahl an afrikanischen Souvenirs fĂŒr die Daheimgebliebenen auswĂ€hlen, sondern abseits des geschĂ€ftigen Treibens auch einen Einblick in die afrikanische Lebensart bekommen, wenn sich Schwarzafrikaner unter den Schatten spendenden Akazien niederlassen und Siesta auf afrikanisch machen. In jeder Situation ist die Anspannung im Land zu merken, so auch bei zwei Sicherheitsbeamten, die mit Maschinengewehr schwer bewaffnet einen Geldautomaten leeren. Bereits bei ihrer Ankunft wurden die SĂ€nger ĂŒber die Gefahren im Land aufgeklĂ€rt. Hi-Jacking, das willkĂŒrliche Ăberfallen von Autos, die an Ampeln oder Toreinfahrten stehen, ist eine allgegenwĂ€rtige Gefahr. Die Bilder von den Wohnvierteln sind geprĂ€gt von hohen Mauern und Stacheldraht, der zusĂ€tzlich elektrisch gesichert ist, um das eigene Hab und Gut zu schĂŒtzen.
Dass aber auch solche Sicherheitsvorkehrungen nicht immer helfen, zeigt das Beispiel eines Besuchers der Gemeinde aus Ăsterreich. Vor wenigen Wochen kam er nach SĂŒdafrika, um seinen hier lebenden Vater zu besuchen. Beim gemeinsamen Abendbrot stĂŒrmen zwei bewaffnete MĂ€nner die Wohnung, bedrohen die Familie und fordern Waffen und Geld. Bei dem Versuch, sich in Sicherheit zu bringen, wird der Gast angeschossen â ein schwerer Bauchdurchschuss. Mit viel GlĂŒck kommt er in ein Hospital, wo er in etlichen Operationen gerettet werden kann. Es ist ein Wunder â und dieses Wort nimmt man in SĂŒdafrika sehr wörtlich â dass er ĂŒberlebte. In diesem Land, wo aber auch die NĂ€he zu Gott bei jedem Menschen zum Tragen kommt, ist dieses Wunder ein noch gröĂeres. Pfarrer Frische erzĂ€hlt, dass der Gast, der seinen Vater besuchen wollte, in der Zeit seines Aufenthaltes in der Gemeinde aufgenommen wurde und mit Gott in BerĂŒhrung kam. Am Vortag des UnglĂŒckes war der junge Mann, der ein Leben aus Drogen, Alkohol und KriminalitĂ€t hinter sich hat, bereit, sich Gott anzuvertrauen. Dass dann am nĂ€chsten Tag dieses UnglĂŒck geschah, erscheint ungerecht. Doch heute glaubt der Besucher aus SĂŒdafrika, es sei ein Schlussstrich unter das alte Leben, eine Chance fĂŒr den Neubeginn.
Im Wilgeheuwel Hospital, wo Andreas, der Besucher aus Ăsterreich liegt, gab Ars Musica heute ein spontanes Konzert und erfreute Patienten und Angestellte mit einigen Liedern, die auf die bevorstehende Adventszeit einstimmen sollten.
Am Abend kam Ars Musica mit jungen Leuten aus der deutschsprachigen Gemeinde zusammen, gemeinsam feierte man ein Braai, ein Grillfest auf afrikanische Art. Die Jugendlichen, meist Studenten, erzĂ€hlten ĂŒber ihr Leben in Johannesburg und den Versuch, trotz der Probleme ein normales Leben zu fĂŒhren. SchlieĂlich wurde auch in die afrikanische Kultur eingetaucht, und Ars Musica zeigte sich geschickt nicht nur beim Singen, sondern auch beim Erlernen eines afrikanischen Tanzes.
28.11.2003: Ars Musica im GefÀngnis
Die Konzertreise von Ars Musica neigt sich dem Ende zu. Am Donnerstag hatte der Suhler Chor seinen letzten, aber wohl aufregendsten Ausflugstag mit abenteuerlicher Safari, Besuch im VergnĂŒgungspark und einer spĂ€ten Heimfahrt mit Autopanne, die zum GlĂŒck glimpflich ausging. Am gestrigen Freitag besuchte ein JugendgefĂ€ngnis und gestaltete die Adventsfeier der Johannesburger Stadtmissionen.
Die Fahrt zum Pilanesberg National Park startete in den frĂŒhen Morgenstunden bei einem fĂŒr Johannesburg typischen schweren Gewitter. Um sechs Uhr erreichte die Kolonne der Kleinbusse das Naturreservat und eine aufregende Suche nach den âBig Fiveâ SĂŒdafrikas â den groĂen fĂŒnf Wildtieren Elefant, Leopard, Löwe, BĂŒffel und Nashorn â begann. In sechs Stunden abenteuerlicher Fahrt durch das etwa 130 Quadratmeter groĂe Areal begegneten den MĂ€nnern aber nicht nur diese stattlichen Tiere, sondern auch Giraffen, Gnus und Zebras. Der Nationalpark ist als einer der kleineren Parks in SĂŒdafrika auch fĂŒr seinen Reichtum an Vogelarten und seine abwechslungsreiche und beeindruckende Landschaft berĂŒhmt.
Gegen Mittag zeigten die âGastelternâ dem Chor noch den gröĂten VergnĂŒgungspark SĂŒdafrikas, das Spielparadies âSun Cityâ. Die Kulissen dieses Parks, in dem sich FreizeitbĂ€der, prachtvolle Hotelanlagen, GolfplĂ€tze und Spielkasino finden, erinnern an den Drehort einer âIndiana Jonesâ-Verfilmung. Gezockt wurde aber nicht, stattdessen nutzten die MĂ€nner die Möglichkeit, sich mal zu erholen, an den kĂŒnstlichen Strand zu legen und das Wasser des Wellenbades zu genieĂen.
Auf der abendlichen Heimfahrt im Dunkeln sorgte eine Reifenpanne fĂŒr âafrikanischeâ Aufregung. Der Reifen war jedoch schnell gewechselt, allen SĂ€ngern geht es nach wie vor gut. Der letzte âUrlaubstagâ ging damit zu Ende.
Kontrastprogramm
Am gestrigen Freitag begannen die MĂ€nner ihre KonzerttĂ€tigkeit mit einem Auftritt im JugendgefĂ€ngnis âBosasaâ â einer Einrichtung fĂŒr Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren, die wegen Verdachts auf Diebstahl bis hin zu Mord und Vergewaltigung in Untersuchungshaft sitzen.
600 Jungen beherbergt das JugendgefĂ€ngnis von Johannesburg. An diesem Tag veranstalteten die Leitung der Einrichtung und einige Gruppen ein Programm rund um das in SĂŒdafrika brisante Thema AIDS. Ăber die HĂ€lfte der Jugendlichen, so erzĂ€hlt Betreuer Victor, sitzen wegen Vergewaltigung oder Missbrauchs ein. Die meisten von ihnen wissen nichts ĂŒber AIDS, oder wie man sich vor dieser Neuen Pest schĂŒtzen kann. AIDS tötet die Gesellschaft nicht nur in SĂŒdafrika. FĂŒr den Staat haben Demografen vorausgesagt, dass sich die Lebenswahrscheinlichkeit der SĂŒdafrikaner von heute durchschnittlich 56 Jahren auf 37 Jahre in 2010 senken wird. Aberglauben unter der schwarzen Bevölkerung, dass die Krankheit von den WeiĂen eingebracht worden sei, um die einheimische Bevölkerung zu töten und dass Kondome ebenso eine Erfindung der WeiĂen seien um die schwarze Rasse aussterben zu lassen, machen AufklĂ€rungsarbeit mĂŒhselig und fast erfolglos. Das GefĂ€ngnis, das mehr ein Rehabilitationslager ist, in dem die Insassen eine Schulausbildung machen und anschlieĂend Berufe erlernen können, ist ein geeigneter Ort, um diese Arbeit konzentriert zu verfolgen. Der Anlass dafĂŒr, heute ein solches AufklĂ€rungsprogramm zu veranstalten, ist der Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember. Die Religion kann nicht helfen, AIDS zu bekĂ€mpfen. Aber sie gibt den Jugendlichen hier einen Halt und Trost, wenn sie sich ihrer Lage bewusst werden. Hilflos stehen wir der Frage von Jugendlichen gegenĂŒber, die in einem Lied singen: âWarum sollen wir leiden auf dieser schönen Welt?â
Das gilt nicht nur fĂŒr die AIDS-kranken Kinder und Jugendlichen, sondern auch fĂŒr die kriminellen Jungen, die einerseits brutale TĂ€ter, andererseits Opfer von Syndikaten und Erwachsenen-Gangs sind. Das âGefĂ€ngnisâ bietet die Möglichkeit, Freiheit zu erlangen und sich von dem alten Leben zu trennen. Der 16-jĂ€hrige Marvin â er verriet nicht, warum er hier ist â konzentriert sich jetzt auf seine Schulausbildung. Von Deutschland, sagt er, habe er schon viel gehört. Er möchte spĂ€ter mal Karriere machen, und vielleicht auch nach Deutschland kommen. Ein Kindertraum, der aber durch die Arbeit im GefĂ€ngnis möglich werden kann.
FĂŒr Ars Musica neigte sich der Tag dem Ende, als er zur Weihnachtsandacht der Stadtmission Johannesburg vor ĂŒber 300 GĂ€sten ein kleines Konzert gab und rechtzeitig zum ersten Advent auf Weihnachten einstimmte.
02.12.2003: Am Ende der Reise angekommen
Die SĂŒdafrika-Tour von Ars Musica geht heute zu Ende. Nach einem Wochenende mit drei Konzerten in Johannesburg, Pretoria und Vanderbijlpark stand am Montag morgen der Abschied von den Gastgebern der evangelischen Stadtmission an. Heute abend wird Ars Musica in Frankfurt landen.
Der konzertante Höhepunkt der Konzertreise war ein Benefizkonzert in Johannesburg am Samstag abend. Gemeinsam mit dem Jugendchor der Johannesburger Heilsarmee und dem Kinderchor aus dem AIDS-Waisenhaus ?Amakhaya? sang der Suhler Chor zugunsten des Waisenhauses. Ăber 300 Besucher fĂŒllten den kleinen Raum der Stadtmission. Gemeinsam mit den verkauften CDs von Ars Musica, deren Erlös zu hundert Prozent an das Waisenhaus geht, kamen an diesem Abend 6 000 Rand ? umgerechnet knapp ĂŒber 900 Euro ? zusammen. Damit kann das Waisenhaus fĂŒr zwei Monate sicher weiterarbeiten, fĂŒr Nahrung, Kleidung und Betreuung sorgen. Ars Musica kĂŒndigte im Beisein der groĂen und kleinen Bewohner des Heimes bereits an, dass man auch in Deutschland bei den Adventskonzerten in Meiningen und Suhl am 20. und 21. Dezember fĂŒr ?Amakhaya? sammeln wird.
Das Konzert war nicht nur von den weihnachtlichen GesÀngen aus Deutschland geprÀgt, sondern lebte auch von der Innigkeit der schwarzen GesÀnge ? Gospels und traditionelle afrikanische Lieder ?, die der Chor der Heilsarmee und der Amakhaya-Kinderchor vortrugen und damit das Publikum begeisterten.
Am Sonntag war Ars Musica in SĂŒdafrikas Hauptstadt Pretoria, wo die Suhler am Morgen ein Adventskonzert gestalteten und etwa 200 Menschen musikalisch auf Weihnachten einstimmten. AnschlieĂend gab es noch eine Blitz-Tour durch die Innenstadt von Pretoria, die noch etwas historischer und beschaulicher ist als das groĂe Johannesburg. Zu wenig Zeit blieb fĂŒr eine ausfĂŒhrliche Besichtigung auch des Voortrekker Monument, einem Denkmal, das in seiner Form an das Völkerschlachtdenkmal zu Leipzig erinnert und die Geschichte der ersten Einwanderer und deren Vordringen in das afrikanische Binnenland festhĂ€lt. Am frĂŒhen Nachmittag ging es schon weiter zum nĂ€chsten Ort, dem etwa 100 Kilometer entfernten Vanderbijlpark. Dort sangen die Suhler MĂ€nner am Abend wie auch bei den anderen Konzerten vor meist deutschem Publikum ? sowohl SĂŒdafrikaner, deren Familien vor vielen Generationen aus Deutschland kamen, als auch Einwanderer der ersten Generation. Interessant waren vor allem Begegnungen mit vielen Einwanderern, die aus ThĂŒringen auch in dieses Land gekommen sind, und wohl durch die AnkĂŒndigung als ThĂŒringer MĂ€nnerchor ein StĂŒck Heimat wieder erleben wollten.