Johannesburg, Soweta, Pretoria, Kapstadt
Tourtagebuch
23.11.2003: Ankunft und erster Tag in Jo’burg
Der Thüringer Männerchor „Ars Musica“ ist wohlbehalten auf südafrikanischem Boden gelandet. Empfangen wurden sie am Samstagnachmittag am Flughafen Johannesburg von den Mitgliedern der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Johannesburg. Es war ein herzlicher und warmer Empfang in Südafrika, nicht nur durch die angenehmen 25 Grad, die am Samstag hier herrschten, sondern auch wegen der Gastfreundschaft, für die Südafrika steht. Am gestrigen Sonntag, ihrem ersten Tag in Johannesburg, hatte der Suhler Wieland Müller, der in Johannesburg lebt, mit seiner Gemeinde ein eindrucksvolles Programm zusammengestellt.
Der Sonntag begann mit dem Gottesdienst, den Ars Musica mitgestaltete. Pfarrer Martin Frische, seit 30 Jahren in Südafrika zuhause, begrüßte die Gäste aus Deutschland und weckte bei Gemeinde und Chor die Vorfreude auf die bevorstehende Woche. Ars Musica bedankte sich schon vorab mit einigen Liedern für die Offenheit, mit der man empfangen und aufgenommen wurde. Beim anschließenden gemeinsamen Essen kamen deutschsprachige Gemeindemitglieder, die seit Jahren in Südafrika leben, und die Sänger aus Deutschland ins Gespräch. Persönliche Erfahrungen wurden vermittelt – von dem schwierigen Leben angesichts Armut und Kriminalität in diesem Land, aber auch von der paradiesischen Schönheit und unendlichen Weite, die Südafrika vermittelt. So erfuhren die Suhler Männer auch von dem Schicksal eines 25-jährigen Gemeindemitglieds, das vor einigen Wochen bei einem brutalen Überfall lebensgefährlich verletzt wurde, und jetzt auf dem langen Weg der Besserung sei. Überfälle, die so enden, sind in Johannesburg und Pretoria an der Tagesordnung, zählt Johannesburg zu den Städten mit der höchsten Kriminalitätsrate der Welt. Umso wichtiger ist es da, dass den Menschen der Glaube nicht verloren geht. Ein tiefer Glaube an Gott und Verbundenheit zu ihm ist hier in jedem Menschen zu erkennen.
Am Nachmittag besuchten die Sänger das Township Soweto, Südafrikas berühmteste Schwarzensiedlung. Soweto ist bekannt geworden als Stätte des schwarzen Widerstands gegen das Unterdrücker-System der Apartheid. Am 16. Juni 1976 fand hier ein Aufstand von Schülern gegen die ständige Repression und unmenschliche Erniedrigung der Schwarzen durch die Weißen statt. Das jüngste Opfer dieses Aufstands, der blutig niedergeschlagen wurde, war der 14-jährige Hector Pieterson. Ihm ist heute ein Mahnmal und Museum gewidmet, in dem sich Ars Musica über die Geschichte der Apartheid und die Kultur der Schwarzen in Soweto informieren ließ. Dort erzählten Bilder und Worte dieses dunkelste Kapitel südafrikanischer Geschichte, deren Spuren auch heute noch – bei der anschließenden Fahrt vorbei an den Slums – zu sehen sind.
Weiter ging es dann zu einem Ort, der Ars Musica und seinen Zuhörern schon bekannt ist: „Amakhaya“ ist Zulu und heißt soviel wie „zu hause“. In diesem Waisenhaus leben etwa 40 Kinder und Jugendliche von drei bis 18 Jahren, die aus ärmsten Familien stammen. Einige von ihnen sind vor ihren Familien, in denen sie missbraucht oder geschlagen wurden, geflohen. Viele wurden in das Haus von der Straße geholt, auf der sie sich – um Geld für die Familie zu verdienen – prostituiert hatten. Unter ihnen sind auch Kinder, die an AIDS erkrankt sind. Für sie ist „Amakhaya“ ein Ort, an dem sie einen ruhigen und umsorgten Lebensabend verbringen – mit der Hoffnung auf jeden Tag, an dem sie in dem Camp herumtollen, spielen und singen können. Schon als Wieland Müller im Dezember letzten Jahres von dem Waisenhaus erzählte, hatte sich der Chor entschlossen, beim vergangenen Weihnachtskonzert Spenden zu sammeln. Jetzt, nachdem die Sänger die Kinder kennengelernt haben, steht fest: Auch beim diesjährigen Weihnachtskonzert wird Ars Musica wieder zu Spenden für „Amakhaya“ aufrufen.
26.11.2003: Fantastische Schönheit und verzweifelnde Aussichten
Wieder liegen zwei ereignisreiche Tage hinter dem Männerchor „Ars Musica“, der sich derzeit in Südafrika aufhält. Nach dem letzten Bericht brachen die Sänger am Montag zu einem Tagesausflug nach Kapstadt auf. Gestern war für die 37 Männer der erste Übungstag und eine Einführung in Politik und Gesellschaft Südafrikas angesagt.
Der Treck startete Montagmorgen um fünf Uhr zum Flughafen von Johannesburg. Nach einem zweistündigen Flug und 1800 Kilometern erreichte Ars Musica die südlichste Metropole des afrikanischen Kontinents. Vor einer Tour durch die Innenstadt führte Reiseleiterin Friedel Herrmann die Gruppe an den Punkt, der bei jedem Südafrika-Besuch Pflicht ist – ans Kap der guten Hoffnung. Auch wenn sich hier, entgegen der landläufigen Meinung, Atlantischer und Indischer Ozean hier nicht treffen – Geografen legten die Grenze zwischen den beiden Weltmeeren auf das 200 Kilometer östliche und noch südlicher gelegene Kap Agulhas fest – vermittelte der andauernd stürmende Wind an diesem Ort einen Eindruck von den Sorgen, die Kapitäne früher wie heute bei der Umschiffung des Punktes erfüllen. Aber es sind nicht nur die Wellenbrecher, die hier an die raue Küste schlagen und einen in staunendes Schweigen versetzen. Der südliche Zipfel der Kap-Halbinsel ist heute ein beeindruckendes Naturreservat, in dem es eine unvergleichliche Vielfalt an Pflanzen, Blüten und Sträuchern zu erfahren gilt. Und dann schließlich am Kap zu stehen und das Gefühl zu haben, als Reisender aus dem entfernten Europa bis an diesen Punkt vorgedrungen zu sein, hat einige Sänger in Staunen und Zufriedenheit versetzt.
Friedel Herrmann – die Reiseleiterin – ist Südafrikanerin mit Leib und Seele. Ihre Großeltern wanderten einst in die deutsche Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia) aus. Nach wechselnden Aufenthalten in Deutschland ist die ältere Dame froh, wieder in diesem Paradies zu leben. Und obwohl sie seit zehn Jahren in Kapstadt wohnt und nahezu täglich mit Touristen diese Tour über die Kap-Halbinsel unternimmt, wird sie nicht müde, ob der Schönheit dieses Erdfleckens ins Träumen zu geraten. Und doch erzählt sie mit beigemischter Wehmut in der Stimme über ihre Jugendzeit in Namibia, über das frühere Leben im südlichen Afrika, als die Gesellschaft zwar noch von der Apartheid geprägt war, sie sich selbst aber sicherer fühlen konnte. Südafrika – das weltoffene und farbenfrohe Kapstadt ebenso wie Johannesburg – leidet heute unter einer erschreckend brutalen Kriminalität und der Unvereinbarkeit zwischen eingebrachter europäischer Kultur und dem Leben der Schwarzafrikaner. Aber Südafrika bedeutet, mit diesen Kontrasten zu leben.
Ein Tag Kapstadt – das war nicht mehr, als Eindrücke zu sammeln, vom Kap der guten Hoffnung durch die englisch geprägten südlichen Vororte Kapstadts in das Herz der Metropole, das aus wenigen historischen Gebäuden, hohen Banktürmen, vereinsamten Grünanlagen und Einkaufsmeilen am Meer besteht, zu jagen. Der Sturm, der schon am Kap zu spüren war, ließ Wolken aufziehen und verhinderte leider, das Wahrzeichen Kapstadts – den Tafelberg – zu sehen und zu besteigen. Stattdessen konnte in Südafrikas größtem und ältestem botanischem Garten, den Kirstenbosch Botanical Gardens, die Einmaligkeit der Pflanzenwelt Südafrikas in Ruhe bestaunt und genossen werden, bevor es, nach nur neun Stunden, schon wieder der Rückflug nach Johannesburg angetreten werden musste.
Am gestrigen Dienstag hieß es dann für Ars Musica ‚zurück an die Arbeit’, denn schließlich sind die Sänger nicht nur zum Staunen und Erholen hier angekommen. Intensiv wurde noch einmal für die Konzerte geprobt, die in den nächsten Tagen in Johannesburg, Soweto, Pretoria und Vanderbijlpark anstehen. Am Nachmittag entführte Dr. Erich Leistner, ein gebürtiger Deutscher, der seit knapp 50 Jahren in Südafrika lebt, den Chor in einen informativen wie verzweifelnden Vortrag über Südafrikas Zukunft. Geprägt von jahrelanger Apartheid und dem heutigen Bestreben der ANC-Regierung um Thabo Mbeki, die Vorherrschaft der Weißen in politischen und wirtschaftlichen Positionen zurückzudrängen, kämpft dieses paradiesische Land um ein normales Miteinander der Rassen. Was dazu führt, dass die weiße Bevölkerung sich heute und in Zukunft als Opfer einer neuen, umgekehrten Apartheid bedroht fühlt. Südafrika ist Entwicklungsland mit Potentialen, die aber nur gemeinsam entwickelt werden können.
Nicht nur die Armut der schwarzen Bevölkerung und die allgegenwärtige Gewalt, sondern auch die verheerende Zahl der Menschen, die mit AIDS infiziert sind, lähmen den Fortschritt in eine offene Gesellschaft. Südafrikaner mit hoher Bildung und beruflicher Qualifikation verlassen das Land, und Rassenproporze bei der Vergabe von Arbeitsplätzen – es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Managerposten zu 70 % mit Schwarzen und 30 % mit Weißen zu besetzen sind – lähmen das Wirtschaftswachstum weiter. Die Frage, die in Gesprächen, zum Beispiel mit den deutschsprachigen Gasteltern der Sänger, immer wieder aufkommt lautet: Wieso entscheidet man sich trotz aller Probleme, in diesem Land zu leben? Aber bei jedem, der Antwort darauf gibt wird deutlich: es ist die tiefe Beziehung zur atemberaubenden Schönheit dieses Landes, dieses verwirrende Mit- und Nebeneinander von Kulturen, das für alle Probleme und Schicksale entschädigt.
Am heutigen Mittwoch erwartet die Sänger: ein Ausflug ins Landesinnere – Sightseeing in Johannesburg – ein Abend mit der Gemeinde.
27.11.2003: Alltag in Südafrika
Der fünfte Tag von Ars Musica in Südafrika ist vergangen und damit die zweite – anstrengendere – Halbzeit angebrochen. Eine afrikanische Shopping-Tour, ein spontanes Konzert im Krankenhaus und ein Abend mit den Jungen Leuten der Johannesburger Gemeinde gab den Sängern wieder viele bunte Eindrücke mit auf den Weg.
Eigentlich war für den Vormittag ein Konzert im Jugendgefängnis von Johannesburg geplant. Das musste aber ausfallen, denn die Jugendlichen, die dort einsitzen, hatten an diesem Tag wichtige Schulprüfungen.
Kurzentschlossen planten die beiden Pfarrer der Gemeinde, Martin Frische und Wieland Müller, einen Einkaufsbummel über einen urtypischen afrikanischen Markt. In der gewohnten Kolonne von fünf Kleinbussen ging es stadtauswärts durch die bizarre Landschaft um Johannesburg, mit Kakteen und Palmen besetzte Hügel, dichte Akazienwälder, vorbei an neuerrichteten Wohnsiedlungen und Blechhütten-Slums. Auf dem Markt angekommen, konnten die Männer nicht nur aus einer Vielzahl an afrikanischen Souvenirs für die Daheimgebliebenen auswählen, sondern abseits des geschäftigen Treibens auch einen Einblick in die afrikanische Lebensart bekommen, wenn sich Schwarzafrikaner unter den Schatten spendenden Akazien niederlassen und Siesta auf afrikanisch machen. In jeder Situation ist die Anspannung im Land zu merken, so auch bei zwei Sicherheitsbeamten, die mit Maschinengewehr schwer bewaffnet einen Geldautomaten leeren. Bereits bei ihrer Ankunft wurden die Sänger über die Gefahren im Land aufgeklärt. Hi-Jacking, das willkürliche Überfallen von Autos, die an Ampeln oder Toreinfahrten stehen, ist eine allgegenwärtige Gefahr. Die Bilder von den Wohnvierteln sind geprägt von hohen Mauern und Stacheldraht, der zusätzlich elektrisch gesichert ist, um das eigene Hab und Gut zu schützen.
Dass aber auch solche Sicherheitsvorkehrungen nicht immer helfen, zeigt das Beispiel eines Besuchers der Gemeinde aus Österreich. Vor wenigen Wochen kam er nach Südafrika, um seinen hier lebenden Vater zu besuchen. Beim gemeinsamen Abendbrot stürmen zwei bewaffnete Männer die Wohnung, bedrohen die Familie und fordern Waffen und Geld. Bei dem Versuch, sich in Sicherheit zu bringen, wird der Gast angeschossen – ein schwerer Bauchdurchschuss. Mit viel Glück kommt er in ein Hospital, wo er in etlichen Operationen gerettet werden kann. Es ist ein Wunder – und dieses Wort nimmt man in Südafrika sehr wörtlich – dass er überlebte. In diesem Land, wo aber auch die Nähe zu Gott bei jedem Menschen zum Tragen kommt, ist dieses Wunder ein noch größeres. Pfarrer Frische erzählt, dass der Gast, der seinen Vater besuchen wollte, in der Zeit seines Aufenthaltes in der Gemeinde aufgenommen wurde und mit Gott in Berührung kam. Am Vortag des Unglückes war der junge Mann, der ein Leben aus Drogen, Alkohol und Kriminalität hinter sich hat, bereit, sich Gott anzuvertrauen. Dass dann am nächsten Tag dieses Unglück geschah, erscheint ungerecht. Doch heute glaubt der Besucher aus Südafrika, es sei ein Schlussstrich unter das alte Leben, eine Chance für den Neubeginn.
Im Wilgeheuwel Hospital, wo Andreas, der Besucher aus Österreich liegt, gab Ars Musica heute ein spontanes Konzert und erfreute Patienten und Angestellte mit einigen Liedern, die auf die bevorstehende Adventszeit einstimmen sollten.
Am Abend kam Ars Musica mit jungen Leuten aus der deutschsprachigen Gemeinde zusammen, gemeinsam feierte man ein Braai, ein Grillfest auf afrikanische Art. Die Jugendlichen, meist Studenten, erzählten über ihr Leben in Johannesburg und den Versuch, trotz der Probleme ein normales Leben zu führen. Schließlich wurde auch in die afrikanische Kultur eingetaucht, und Ars Musica zeigte sich geschickt nicht nur beim Singen, sondern auch beim Erlernen eines afrikanischen Tanzes.
28.11.2003: Ars Musica im Gefängnis
Die Konzertreise von Ars Musica neigt sich dem Ende zu. Am Donnerstag hatte der Suhler Chor seinen letzten, aber wohl aufregendsten Ausflugstag mit abenteuerlicher Safari, Besuch im Vergnügungspark und einer späten Heimfahrt mit Autopanne, die zum Glück glimpflich ausging. Am gestrigen Freitag besuchte ein Jugendgefängnis und gestaltete die Adventsfeier der Johannesburger Stadtmissionen.
Die Fahrt zum Pilanesberg National Park startete in den frühen Morgenstunden bei einem für Johannesburg typischen schweren Gewitter. Um sechs Uhr erreichte die Kolonne der Kleinbusse das Naturreservat und eine aufregende Suche nach den „Big Five“ Südafrikas – den großen fünf Wildtieren Elefant, Leopard, Löwe, Büffel und Nashorn – begann. In sechs Stunden abenteuerlicher Fahrt durch das etwa 130 Quadratmeter große Areal begegneten den Männern aber nicht nur diese stattlichen Tiere, sondern auch Giraffen, Gnus und Zebras. Der Nationalpark ist als einer der kleineren Parks in Südafrika auch für seinen Reichtum an Vogelarten und seine abwechslungsreiche und beeindruckende Landschaft berühmt.
Gegen Mittag zeigten die „Gasteltern“ dem Chor noch den größten Vergnügungspark Südafrikas, das Spielparadies „Sun City“. Die Kulissen dieses Parks, in dem sich Freizeitbäder, prachtvolle Hotelanlagen, Golfplätze und Spielkasino finden, erinnern an den Drehort einer „Indiana Jones“-Verfilmung. Gezockt wurde aber nicht, stattdessen nutzten die Männer die Möglichkeit, sich mal zu erholen, an den künstlichen Strand zu legen und das Wasser des Wellenbades zu genießen.
Auf der abendlichen Heimfahrt im Dunkeln sorgte eine Reifenpanne für „afrikanische“ Aufregung. Der Reifen war jedoch schnell gewechselt, allen Sängern geht es nach wie vor gut. Der letzte „Urlaubstag“ ging damit zu Ende.
Kontrastprogramm
Am gestrigen Freitag begannen die Männer ihre Konzerttätigkeit mit einem Auftritt im Jugendgefängnis „Bosasa“ – einer Einrichtung für Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren, die wegen Verdachts auf Diebstahl bis hin zu Mord und Vergewaltigung in Untersuchungshaft sitzen.
600 Jungen beherbergt das Jugendgefängnis von Johannesburg. An diesem Tag veranstalteten die Leitung der Einrichtung und einige Gruppen ein Programm rund um das in Südafrika brisante Thema AIDS. Über die Hälfte der Jugendlichen, so erzählt Betreuer Victor, sitzen wegen Vergewaltigung oder Missbrauchs ein. Die meisten von ihnen wissen nichts über AIDS, oder wie man sich vor dieser Neuen Pest schützen kann. AIDS tötet die Gesellschaft nicht nur in Südafrika. Für den Staat haben Demografen vorausgesagt, dass sich die Lebenswahrscheinlichkeit der Südafrikaner von heute durchschnittlich 56 Jahren auf 37 Jahre in 2010 senken wird. Aberglauben unter der schwarzen Bevölkerung, dass die Krankheit von den Weißen eingebracht worden sei, um die einheimische Bevölkerung zu töten und dass Kondome ebenso eine Erfindung der Weißen seien um die schwarze Rasse aussterben zu lassen, machen Aufklärungsarbeit mühselig und fast erfolglos. Das Gefängnis, das mehr ein Rehabilitationslager ist, in dem die Insassen eine Schulausbildung machen und anschließend Berufe erlernen können, ist ein geeigneter Ort, um diese Arbeit konzentriert zu verfolgen. Der Anlass dafür, heute ein solches Aufklärungsprogramm zu veranstalten, ist der Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember. Die Religion kann nicht helfen, AIDS zu bekämpfen. Aber sie gibt den Jugendlichen hier einen Halt und Trost, wenn sie sich ihrer Lage bewusst werden. Hilflos stehen wir der Frage von Jugendlichen gegenüber, die in einem Lied singen: „Warum sollen wir leiden auf dieser schönen Welt?“
Das gilt nicht nur für die AIDS-kranken Kinder und Jugendlichen, sondern auch für die kriminellen Jungen, die einerseits brutale Täter, andererseits Opfer von Syndikaten und Erwachsenen-Gangs sind. Das „Gefängnis“ bietet die Möglichkeit, Freiheit zu erlangen und sich von dem alten Leben zu trennen. Der 16-jährige Marvin – er verriet nicht, warum er hier ist – konzentriert sich jetzt auf seine Schulausbildung. Von Deutschland, sagt er, habe er schon viel gehört. Er möchte später mal Karriere machen, und vielleicht auch nach Deutschland kommen. Ein Kindertraum, der aber durch die Arbeit im Gefängnis möglich werden kann.
Für Ars Musica neigte sich der Tag dem Ende, als er zur Weihnachtsandacht der Stadtmission Johannesburg vor über 300 Gästen ein kleines Konzert gab und rechtzeitig zum ersten Advent auf Weihnachten einstimmte.
02.12.2003: Am Ende der Reise angekommen
Die Südafrika-Tour von Ars Musica geht heute zu Ende. Nach einem Wochenende mit drei Konzerten in Johannesburg, Pretoria und Vanderbijlpark stand am Montag morgen der Abschied von den Gastgebern der evangelischen Stadtmission an. Heute abend wird Ars Musica in Frankfurt landen.
Der konzertante Höhepunkt der Konzertreise war ein Benefizkonzert in Johannesburg am Samstag abend. Gemeinsam mit dem Jugendchor der Johannesburger Heilsarmee und dem Kinderchor aus dem AIDS-Waisenhaus ?Amakhaya? sang der Suhler Chor zugunsten des Waisenhauses. Über 300 Besucher füllten den kleinen Raum der Stadtmission. Gemeinsam mit den verkauften CDs von Ars Musica, deren Erlös zu hundert Prozent an das Waisenhaus geht, kamen an diesem Abend 6 000 Rand ? umgerechnet knapp über 900 Euro ? zusammen. Damit kann das Waisenhaus für zwei Monate sicher weiterarbeiten, für Nahrung, Kleidung und Betreuung sorgen. Ars Musica kündigte im Beisein der großen und kleinen Bewohner des Heimes bereits an, dass man auch in Deutschland bei den Adventskonzerten in Meiningen und Suhl am 20. und 21. Dezember für ?Amakhaya? sammeln wird.
Das Konzert war nicht nur von den weihnachtlichen Gesängen aus Deutschland geprägt, sondern lebte auch von der Innigkeit der schwarzen Gesänge ? Gospels und traditionelle afrikanische Lieder ?, die der Chor der Heilsarmee und der Amakhaya-Kinderchor vortrugen und damit das Publikum begeisterten.
Am Sonntag war Ars Musica in Südafrikas Hauptstadt Pretoria, wo die Suhler am Morgen ein Adventskonzert gestalteten und etwa 200 Menschen musikalisch auf Weihnachten einstimmten. Anschließend gab es noch eine Blitz-Tour durch die Innenstadt von Pretoria, die noch etwas historischer und beschaulicher ist als das große Johannesburg. Zu wenig Zeit blieb für eine ausführliche Besichtigung auch des Voortrekker Monument, einem Denkmal, das in seiner Form an das Völkerschlachtdenkmal zu Leipzig erinnert und die Geschichte der ersten Einwanderer und deren Vordringen in das afrikanische Binnenland festhält. Am frühen Nachmittag ging es schon weiter zum nächsten Ort, dem etwa 100 Kilometer entfernten Vanderbijlpark. Dort sangen die Suhler Männer am Abend wie auch bei den anderen Konzerten vor meist deutschem Publikum ? sowohl Südafrikaner, deren Familien vor vielen Generationen aus Deutschland kamen, als auch Einwanderer der ersten Generation. Interessant waren vor allem Begegnungen mit vielen Einwanderern, die aus Thüringen auch in dieses Land gekommen sind, und wohl durch die Ankündigung als Thüringer Männerchor ein Stück Heimat wieder erleben wollten.
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