19. Dezember 20212021 / KritikenEs gibt sie doch noch, die kleinen Wunder. Ars Musica hat am vierten Advent ein Weihnachtskonzert gegeben. So ist es Tradition. Genauso wie es Tradition ist, dass die Männer wieder für ein Hilfsprojekt Spenden sammeln.
Suhl – Ein Konzert mit dem Männerchor Ars Musica zu erleben, ist immer eine Freude. Für die Sänger. Und für das Publikum. Am Sonntag ist diese Freude noch etwas größer als sonst, auch wenn das Publikum kleiner sein musste. Und sie ist ein bisschen besonders. Das zeigt auch der Applaus zu Beginn des selten gewordenen Kulturerlebnisses. Der gilt Maik Gruchenberg, dem künstlerischen Leiter des Chores, und den Sängern.
Foto: frankphoto.de
Den gab es auch dafür, dass sie dieses Konzert überhaupt ermöglicht haben mit allem, was sein musste. Zertifikate kontrollieren, Kontaktdaten einsammeln, Plätze so zuweisen, dass das Publikum mit genügend Abstand sitzen kann, das Tragen der Maske anmahnen … Ohne all das hätte dieses Konzert, das lange auf Messers Schneide stand, nicht stattfinden können. Die Zuhörer – statt der sonst üblichen 1000 Menschen, durften diesmal nur etwa 360 dabei sein – arrangieren sich damit. Die Sänger, die alles Kinder der Stadt Suhl und längst zu gestandenen Männern gereift sind, auch.
Philipp Christ spielt an der Orgel Bachs „Meine Seele erhebt den Herrn“ und der Chor stimmt ein geistliches Lied aus Armenien an. „Amen Hayr Surb“ zitiert einen Gebetsruf der armenischen Liturgie. Die Stimmen der Sänger vereinen sich zu einem Erlebnis. Ein Erlebnis, das das ganze Konzert lang anhält und festliche Stimmung verbreitet. Dies sowohl mit internationalen Advents- und Weihnachtsliedern wie beispielsweise „Als die Welt verloren“ (Polen), „Joy to the World (England) oder „Go tell it on the Mountain“ (USA) als auch mit weihnachtlichen Werken aus Deutschland. Zu denen leitet Philipp Christ an der Orgel mit wunderbaren Choralvariationen zu „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ (Bert Matter) über. Die Männer, die einst im Suhler Knabenchor groß geworden sind, singen „Maria durch den Dornwald ging“ auf so wunderbare Weise, dass es eine Gänsehaut gibt, die nicht der Kühle in dem großen Gotteshaus zuzuschreiben ist. Maik Gruchenberg zieht den imaginären Hut vor dem Chor. Und sein Daumen geht für kleine Momente als Zeichen der Anerkennung auch hoch, als der Chor „Still o Himmel“, „Es ist für uns eine Zeit angekommen“ oder „Tausend Sterne sind ein Dom“ interpretiert – mit Klasse, Herzblut und viel Gefühl.
Selbstredend lässt das Publikum die Sänger nicht ohne Zugaben von der Bühne treten. Für die letzte Zutat, für die kaum etwas besser passt als der Inbegriff des Weihnachtsbrauchtums – „Stille Nacht, heilige Nacht“ – bittet der Chordirektor, auf Beifall zu verzichten.
So wird das Publikum mit Freude im Herzen und festlich gestimmt, nach draußen entlassen. Nach draußen, in diese Welt, die gerade jetzt viele kleine und gerne auch große Wunder gebrauchen könnte. Und der die Zuhörer während des Konzertes und für die Zeit des Nachklangs für eine kleine Weile entrücken konnten. Wäre draußen vor der Kirchentür noch leise Schnee vom Himmel gerieselt wie es die Sänger mit ihrem letzten Programm-Lied herbeisingen, hätte der Abend ein weiteres kleines Wunder erfahren.
Für ein Wunder anderer Art werden die Männer demnächst mithilfe der Konzertbesucher, die sich spendenfreudig zeigen, sorgen. Nach etlichen Projekten, die sie in Armenien bereits angeschoben umgesetzt haben, wollen sie nun die Sanierung einer Schule in Krashen finanzieren helfen. Krashen liegt in dem Gebiet, in dem 1988 das Epizentrum des verheerenden Erdbebens lag. Dieses Unglück war damals, als die Männer noch im Knabenchor gesungen hatten, Auslöser für eine aufsehenerregende Spendenaktion. Seitdem haben die Suhler Sänger nicht nur den Gesang und ihre Freundschaft, sondern auch Armenien in ihrem Herzen.
von Heike Hüchtemann [...]
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