Kategorie: 2012

Kritiken und Berichte aus dem Jahr 2012

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2012, Kritiken

Der grĂ¶ĂŸte Suhler Chor mit ĂŒber 1000 Stimmen

Suhl So voll wie zu den jĂ€hrlichen Konzerten des ThĂŒringer MĂ€nnerchors Ars Musica ist die Suhler Kreuzkirche selten. Selbst unterm Dach auf der dritten Empore waren am Sonntagnachmittag nur noch vereinzelt PlĂ€tze frei. Wer nah bei den SĂ€ngern im Kirchenschiff sitzen wollte, musste sehr frĂŒh seinen Platz sichern, wer spĂ€ter kam, konnte sich von den Emporen einen Überblick verschaffen. Gelohnt hat sich der Kirchenbesuch aber fĂŒr alle.

Die 35 stimmgewaltigen MĂ€nner, die aus dem Suhler Knabenchor entwachsen sind, ließen musikalische Wellen durch die Kirchenhalle rollen, denen sich kein Zuhörer entziehen konnte. Chorleiter Hubert Voigt hatte ein Programm zusammengestellt, das Weihnachtslieder von Spanien bis Russland prĂ€sentierte.

Den Auftakt machte „O komm, o komm, Emanuel“ von Christoph Bernhard Verspoell, das man im Henneberger Land seltener hört. Der katholische Priester schuf das Lied Anfang des 19. Jahrhunderts, als im Gefolge der AufklĂ€rung die Übersetzung und Neuschaffung von katholischen Kirchenliedern in deutscher Sprache eine BlĂŒte erlebte. Bis heute erfreut es sich im Bistum MĂŒnster, aus dem Verspoell stammt, großer Beliebtheit. Von MĂŒnster flogen die Stimmen mit „O Messias“ nach Spanien.

Der folgende „Adventsstern“ von Ludwig Winand gewann nicht nur durch den weihnachtlichen Bezug eine besondere AktualitĂ€t. Der langjĂ€hrige Musiklehrer und Chorleiter Winand aus Siegen ist erst vor wenigen Tagen einem Herzleiden erlegen. Es ist eine Art spĂ€ter Ehrung, dass seine Komposition nun noch die Zuhörer im fernen Suhl rĂŒhren konnte.

Die Auswahl der Lieder erfrischte die im Adventsrausch vielleicht etwas abgestumpften Ohren wohltuend – modernere Vertonungen von Klassikern, wie etwa Eichendorfs „O Du gnadenreiche Zeit“ durch Hermann Ophoven, gepaart mit Bekanntem wie der ThĂŒringer Volksweise „SĂŒĂŸer die Glocken nie klingen“ und auslĂ€ndischen Liedern wie „Als die Welt verloren“ aus Polen.

Ein Höhepunkt zur Halbzeit des Konzertes war der gemeinsame Gesang des „Quodlibeth“. Chorleiter Voigt brachte das gesamte Publikum, getrennt in MĂ€nner und Frauen, zum Mitsingen. Die Zuhörer warteten schon auf diesen Einsatz, gehört es doch zu den langjĂ€hrigen Traditionen, beim Adventskonzert von Ars Musica Teil des in diesem Moment grĂ¶ĂŸten Suhler Chores mit mehr als 1000 Stimmen zu werden. oa

Erschienen im Freien Wort 24.12.2012
Foto: frankphoto.de

2012, Kritiken

O sanfter, sĂŒĂŸer Hauch

Vierzig Jahre Chorgesang in Suhl – das war dem ThĂŒringer MĂ€nnerchor Ars Musica ein besonders Konzert wert. Das Publikum feierte alle Mitwirkenden in der Hauptkirche.

Suhl – Vor vierzig Jahren, 1972, grĂŒndete sich in Suhl der Knabenchor unter Hubert Voigt und machte damit der Stadt ein Geschenk. Zwanzig Jahre spĂ€ter verließ er die Stadt, um die FrĂŒchte seiner Arbeit gebracht, doch auf dieser Erfahrung wuchs schließlich auch Ars Musica, ein exzellenter ThĂŒringer MĂ€nnerchor. Ars Musica, das sind jene ehemaligen Suhler Jungs, die das ABC des Singens unter Hubert Voigt grĂŒndlich lernten; lĂ€ngst im Leben stehend, und die zusammen mit dem Dirigenten eine verschworene kĂŒnstlerische und auch menschliche Gemeinschaft bilden. Bis auf den heutigen Tag. Hubert Voigts Leitspruch, „das Einfache und Schlichte in der Musik zu meistern, ist stets eine große Kunst“, den haben die Ars-Musica-MĂ€nner ebenso verinnerlicht.

Die Suhler Wurzeln

Es ist mĂŒĂŸig zu fragen, ob der jetzige Knabenchor ein solches Ereignis wie Samstagabend in der Hauptkirche im Blick gehabt und hĂ€tte leisten können. Ars Musica und Hubert Voigt, dem hiesigen Publikum mit zwei Konzerten im Jahr immer noch in Treue verbunden, haben ihre Wurzeln nicht vergessen, sie zehren davon. Und deshalb war es in diesem ehrgeizigen Ensemble auch selbstverstĂ€ndlich, schon vor fast zwei Jahren dieses Sonderkonzert zu planen, das 450 begeisterte Besucher in der Hauptkirche genossen. Bereits im Januar 2011 fanden die ersten Proben dazu statt. Und ermuntert zum Mitmachen waren zudem all jene, die zu den ersten Mitgliedern des Knabenchores gehörten und heute nicht mehr singen.

Immerhin, sechs haben sich getraut, und sangen im ersten Teil jene Volkslieder mit, die sie schon aus frĂŒheren Zeiten im Knabenchor kannten, und wahrscheinlich werden sie das nicht bereut haben.

Was dieses Konzert besonders macht, das ist natĂŒrlich dieser sanfte sĂŒĂŸe Hauch von Chorgesang, wie es Voigt ermöglicht und wie es in einer Liedzeile von Mendelssohn Bartholdy heißt. Dieses wurde am Ende des Programms so betörend, so fein dargeboten, dass man fast den Atem angehalten hĂ€tte – gemeinsam mit dem einstigen MĂ€dchen-Kammerchor aus dem WĂŒrttembergischen AllgĂ€u, den Voigt nach seinem Weggang aus Suhl an der dortigen Musikschule aufgebaut hatte. Auch hier Sangeskultur auf höchstem Niveau. Die jungen Frauen, die des Öfteren Konzerte in Suhl mitgestalteten, sie kamen ĂŒberraschend, im Programm war ihr Auftritt deshalb nicht ausgedruckt.

Also dieser betörende Hauch von Stimmen, von SangesqualitĂ€t. Besonders macht dieses Konzert zugleich auch die ĂŒbergreifende Idee, das Konzept, gemeinsam mit dem jetzigen Knabenchor an dieses JubilĂ€um zu erinnern. Das ist mehr als eine symbolische Geste. Voigt will damit etwas sagen: Er will die jetzigen jungen SĂ€nger ermuntern, ihr Hobby zu lieben und es mit Eifer und Ernsthaftigkeit zu betreiben, und zeigen, was möglich ist, wenn man es will. Der jetzige Leiter Robert Grunert hat als Thomaner seine Erfahrungen in Kindheit- und Jugendjahren gemacht, er weiß ebenfalls um die HĂ€rten: Ohne Fleiß kein Preis. Leicht hat er es seinen Knaben mit ihrem Part in diesem Programm nicht gemacht, Lieder von Johannes Brahms, Hugo Distler, Thomas Morley sind anspruchsvoll, daran dĂŒrfen sie noch gewaltig wachsen. Dass der Schlusschor aus Bachs bekannter Motette „Jesu meine Freude“ erklang, hat etwas mit der Geschichte des Knabenchores zu tun. Der sang 1992 unter Voigt das komplette Werk in einer Sendung des ZDF in der Aktion „Sorgenkind“. Dieser Auftritt, der war ein Höhepunkt, den wohl keiner der damals daran beteiligten Jungs vergessen hat.

FĂŒr seinen eigenen Part hatte Ars Musica russische Weisen, einen Kanon von William Boyce, ein Werk von Heinrich SchĂŒtz und Lieder von Anton Bruckner ausgewĂ€hlt – StĂŒcke, wo die Trauben hoch hĂ€ngen, wenn man sie kĂŒnstlerisch erreichen will. Die Solo-Auftritte in dem ĂŒber zweistĂŒndigen Programm gehörten der schönen Stimme von Ines Becher aus Wangen, die unter anderem mit einer HĂ€ndel-Arie und „Abschied“ von Rheinsberger, gemeinsam mit Dany Hofmann von Ars Musica, betörte (am Klavier Annett Mey). Und Voigts Töchter Maria (Violine) und Charlotte (Violoncello, zusammen mit dem Akkordeonisten Miroslaw Tybora), die erfolgreich Musik studierten, erfreuten nicht nur das Herz des Papa ob ihrer versierten Spielweise.

Ein gemeinsamer Kanongesang mit dem Publikum und tosender Beifall beendeten einen außergewöhnlichen Chor-Abend. Zu dessen Anlass BĂŒrgermeister Klaus Lamprecht vor den Zuhörern bemerkte: „Wenn etwas vierzig Jahre hĂ€lt, dann muss es gut sein.“ Eine Verpflichtung fĂŒr die Zukunft …

Erschienen im Freien Wort 18.06.2012
Autor: Lilian Klement
Foto: frankphoto.de