Mit einem großartigen Weihnachtskonzert haben die Sänger von Ars Musica ein stimmliches Glanzlicht in den weihnachtlichen Konzert-Reigen gesetzt. Und: Sie haben sich verabschiedet von der Suhler Bühne.
Von Heike Hüchtemann
Suhl – Eine schöne Tradition, dass die Sänger in der Stadt, in der sie groß geworden sind, am vierten Advent ein Weihnachtskonzert in der Kreuzkirche geben. Seit mehr als 20 Jahren können sich die Suhler und ihre Gäste auf die Männer verlassen und deren Einstimmung auf das Fest. So auch in diesem Jahr. Mit Advents und Weihnachtsliedern unter anderem aus Spanien, Franken, Portugal und Polen, mit einem russischen Wiegenlied oder auch dem Kanon „Mache dich auf und werde Licht“ bewies Chorleiter Hubert Voigt einmal mehr sein Gespür für eine stimmige Dramaturgie. So ging es auf eine wunderbar gestimmte Reise durch die Welt und durch die Zeit. Auch in den Genuss des „Ave Maria“ von Manuel Rabelo (Portugal), das vor zwei Jahren seine Deutschlandpremiere in Suhl erlebte, kam das Publikum zu diesem wunderbaren Konzert. Das wirkte dank der Sopranistin Ines Becher („Erlöse und vom Übel“ von Peter Cornelius) und der aus Ungarn stammenden Organistin Andrea Malzahn so fabelhaft arrangiert, dass sich viele Konzertbesucher einig darin waren, einen der bisher schönsten Ars Musica-Auftritte erlebt zu haben.
Auch wenn diese Konzerte längst Selbstläufer sind, die hohen stimmlichen Qualitäten sind es nicht. An ihnen wird immer wieder intensiv gearbeitet – einmal im Monat an einem Probenwochenende. Eingedenk der Tatsache, dass die wenigsten der 40 Sänger noch in Suhl leben und manche sogar aus Bern oder Lissabon anreisen, wird klar, wie groß die Liebe zum Gesang und zu der über etliche Jahrzehnte gewachsenen Gemeinschaft sein muss.
Synonym für Anspruch
Um so schmerzlicher für die Sänger wie für das Publikum: Hubert Voigt verkündete, dass dies das letzte Weihnachtskonzert von Ars Musica unter seiner Leitung sein werde. Hubert Voigt, der 1972 den Suhler Knabenchor aus der Taufe hob, aus dem 1994 der Männerchor Ars Musica entwuchs, ist 73 Jahre alt. Es sei für ihn, der die Kräfte schwinden spüre, an der Zeit, kürzer zu treten. „Ich verabschiede mich im nächsten Jahr von dem Chor und ich bin froh, dass wir solch ein ausgezeichnetes Konzert zum Abschied in Suhl geben konnten“, sagt Hubert Voigt. Für viele im Publikum kam diese Ansage überraschend. Joachim Schwennicke, einer der treuesten Ars Musica-Fans sagte, was viele dachten: Danke, dass Ars Musica über all die Jahre Suhl so schöne Konzerte erleben ließ.
Ars Musica – das ist wirklich etwas ganz Besonderes. Wenn man so will, ist das ein Synonym für hohe Ansprüche und eine Gemeinschaft von Sängern, die schon seit Jahrzehnten gemeinsam ihrer Leidenschaft im Chor frönen. Viele von ihnen kennt Hubert Voigt seit sie sechs oder sieben Jahre alt sind und damit seit dem Tag, als er den Knabenchor an den Start schickte, auf dass er mit einer neuen Klangfarbe einen neuen Akzent in das Kultur-Gefüge der Stadt bringen möge.
Das war ihm nur bis Anfang der 1990er-Jahre vergönnt. Seine Stelle wurde mit der Auflösung der Philharmonie vakant. Das damalige Kultusministerium wollte eine Brücke über das Gymnasium bauen, an dem die Dirigentenstelle hätte angedockt werden können, doch über diese Brücke wollte die Stadt Suhl damals nicht gehen. Damit war es an Hubert Voigt, zu gehen. „Mit den mir zugestandenen 12-Wochen-Stunden für den Chor konnte ich nicht viel anfangen – ich wollte ja keinen Pionierchor leiten.“
Der Vater des Suhler Knabenchores ging in das Allgäu nach Wangen an die Musikschule als Gesangslehrer und Chordirigent. Er ging nicht gern, aber er brauchte für sich und seine Familie eine Perspektive. Ein bisschen hadert er noch immer mit der Situation, die ihn um die Weiterentwicklung des Knabenchores und somit um ein Stück seines Lebenswerkes brachte.
Als der Knabenchor seinen 20. Geburtstag feierte, fanden sich Sänger von 18 bis 27 Jahren zusammen, die ihre Stimmbildung genau hier bekommen hatten. Dieser Chor begeisterte die Zuhörer mit einer außergewöhnlich frischen Klangfarbe. „Daraus entstand die Idee, die erstaunlich gut erhaltene Qualität weiter zu pflegen“, sagt Thorsten Weiß, der Vorsitzende des Vereins Ars Musica. Über eine doch eher ungewöhnliche Probenpraxis und bislang über 100 Konzerte hat sich Ars Musica einen Ruf ersungen, der alles andere als selbstverständlich ist. Stimmen voller Glanz, der frei wirkende Fluss der Tempi, schier schwebende, glasklare Töne, lupenreine Intonation – diese Worte finden Kritiker der Konzerte von Ars Musica nur zu gern. Dazu gesellt sich die Folgerung, dass der Chor internationale Güte habe und ganz nah dran sei an der Qualität von Berufssängern.
Das Ende bleibt offen
Diese Stimmen sollen nun in Suhl nicht mehr zu hören sein? Das lässt sich nur schwerlich glauben. Es werde noch einige Proben geben und auch noch eine Konzertreise nach Siebenbürgen, sagt Thorsten Weiß. Was dann mit Ars Musica wird, sei heute schwer zu beantworten. „Wir wollen erst einmal mit der Konzertreise einen ordentlichen Abschluss schaffen. Was dann kommt, müssen wir entscheiden – unter der Prämisse, dass Hubert Voigt, der uns so lange ausgebildet, begleitet und zusammengehalten hat , nicht mehr unser Leiter sein wird.“ Möglich, dass es als eine Art Projektchor weitergeht. „Möglich ist aber auch, dass wir sagen: Okay, es war eine gute Zeit. Und die ist jetzt vorbei. Auf keinen Fall aber wollen wir aber ein langsames Sterben des Chores, wenn möglicherweise Schlüsselstimmen wegbrechen. Wir haben immer höchste Ansprüche an das Niveau des Chores gehabt und davon werden wir nicht abweichen“, so Thorsten Weiß.
Mit dem Wissen, dass Ars Musica vielleicht nie mehr in Suhl zu hören sein wird, hallt das Weihnachtskonzert in einer ganz besonderen Stimmung aus Wohlklang und Dankbarkeit nach.
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