ARS MUSICA UND ALLGĂUER KAMMERCHOR
Ein Suhler ist er schon lange nicht mehr. Doch es zieht ihn immer wieder in die Stadt zurĂŒck, der er vor vierzehn Jahren nur ungern den RĂŒcken kehrte und ihr trotzdem etwas hinterlieĂ: den Knabenchor. Der wĂ€re ohne Hubert Voigt undenkbar.
SUHL â Auch wenn der Chor heute ein anderer ist als damals, 1992, auf seinem Höhepunkt.
Zwanzig mĂŒhsame Jahre hatte Voigt dorthin gebraucht. Es brauchte keine zwanzig Jahre, ihn wieder in die kĂŒnstlerische Bedeutungslosigkeit versinken zu lassen. FĂŒr die Stadt ist er sicher weiter eine reizvolle Facette im GefĂŒge der verschiedenen Chöre, aber nicht mehr jene Perle, die sie einstmals war.
Ein Teil dieses Knabenchores, der 1972 entstand, lebt heute in Ars Musica weiter, bis auf zwei sind alle MĂ€nner durch Voigts Schule gegangen. Ars Musica ist eine verschworene, ĂŒber Jahrzehnte verbundene Gemeinschaft, ein erstklassiger, preisgekrönter MĂ€nnerchor mit Suhler Wurzeln. Ob der entstanden wĂ€re, wĂ€re Voigt nicht vergrault worden? Aber wie so vieles im Leben hat jedes Ding zwei Seiten. In diesem Falle Ars Musica.
Und weil das so ist, gibt es fĂŒr den 64-jĂ€hrigen Hubert Voigt gute GrĂŒnde, seinen beruflichen Ausstand im Sommer nicht nur in der neuen Heimat Wangen mit einem feinen Konzert zu geben, sondern auch in Suhl. Jene Stadt, die er von 1969 bis 1993 als ChorpĂ€dagoge maĂgeblich prĂ€gte. Der er eine gewisse Treue hielt, und sei es nur mit den monatlichen Proben von Ars Musica im Heinrichser Gemeindehaus und ein bis zwei Konzerten jĂ€hrlich. Das jĂŒngste fand unmittelbar vor Heiligabend in der Kreuzkirche statt und war wie so viele Jahre zuvor ein SelbstlĂ€ufer beim Publikum.
Der Auftritt an diesem Sonntag in der Hauptkirche ist fĂŒr Voigt nicht nur deshalb ein ungewöhnlicher, weil er sich in den âAltersruhestandâ zurĂŒck zieht, wie er sagt, sondern auch, âweil es in den Sternen steht, ob ein Programm dieser Gestalt ĂŒberhaupt noch einmal denkbar wĂ€reâ.
Was Hubert Voigt spricht, klingt ein wenig verrĂ€tselt, klĂ€rt sich aber, wenn man auf die Mitwirkenden und auf den Inhalt schaut. Neben Ars Musica kommt der Kammerchor der Jugendmusikschule âWĂŒrttembergisches AllgĂ€uâ in Wangen nach Suhl. Eines jener leistungsstarken Ensembles, die Voigt dort zielstrebig aufgebaut hat. Die MĂ€dchen sind bekannt fĂŒr ihr exzellentes Singen, beim internationalen Johannes-Brahms-Wettbewerb 2005 in Wernigerode erhielten sie ein Silbernes Diplom. Beide Chöre bringen einen eigen Programmteil zu Gehör und gestalten zudem einen gemeinsamen Part.
Lebensleistung
Ars Musica hat dafĂŒr Werke des 17. bis 20. Jahrhunderts ausgewĂ€hlt â von Henry Purcells âLobt den Herrn der Weltâ, ĂŒber âCantateâ von Richard Strauss bis zum âAve Mariaâ von Rolf Lukowsky. Der Kammerchor aus dem AllgĂ€u hingegen setzt den Schwerpunkt mit romantischem Liedgut, beispielsweise Brahmsâ âVier Lieder aus dem Jungbrunnenâ. Der gemeinsam gesungene Teil beginnt mit Felix Mendelssohn Bartholdys âDie Nachtigallâ und endet mit einer Liturgie von Tschaikowski.
Einen zusĂ€tzlichen Reiz erfĂ€hrt das Konzert eben durch jene Mischung der Stimmen, von denen die jĂŒngste weiblich und fĂŒnfzehn ist und die Ă€lteste vierzig und mĂ€nnlich.
Voigt merkt man schon am Telefon die besondere Freude auf diesen Auftritt an. Selbst wenn das Programm am Samstag bereits in der Erfurter Reglerkirche erklingt â Suhl ist eben noch immer ein besonderes Pflaster fĂŒr ihn. Hier hat der ehrgeizige wie fĂ€hige PĂ€dagoge und KĂŒnstler den gröĂten Teil seiner Lebensleistung gebracht, und hier ist er in gewisser Weise darum gebracht worden. âDer Knabenchor war mein Fleisch und Blutâ, bekennt er selbst nach vierzehn Jahren noch.
Nein, er hadert nicht mehr, dass Suhl damals leichtfertig eine Chance vertan hat, dem seinerzeit auĂergewöhnlich hohen Niveau des Knabenchores eine Perspektive zu geben. Voigt hatte sie in der Anbindung an das Herder-Gymnasium gesehen. Das Kultusministerium â damals mit Dieter Althaus als Minister â war bereit, die Weichen zu stellen. In Suhl winkte man ab. Was hĂ€tte heute sein können …
Der Knabenchor wurde zu DDR-Zeiten â 1977 â dank des damaligen Chefdirigenten der Philharmonie, Siegfried GeiĂler, an das Orchester angegliedert, Voigt bekam dort eine Stelle. Der erfahrene Chefdirigent wusste sehr wohl, warum er dies tat. Er sah die Möglichkeiten und Potenzen des sich entwickelnden Ensembles, und er sah, dass da einer war, der die FĂ€higkeiten hatte, aus der 1972 gegrĂŒndeten Sangesgemeinschaft von kleinen Jungs einen veritablen Knabenchor zu machen und dafĂŒr die richtigen Bedingungen brauchte. Einen Chor nach internationalem Vorbild war Voigts klares Ziel.
Motivieren, Begeistern
Die Zukunft sollte zeigen, dass GeiĂler recht behielt. AllmĂ€hlich formten sich das Klangbild, der Ton, die Ausstrahlung. Der Name âSuhler Knabenchorâ erlangte einen guten Ruf, die Suhler traten regelmĂ€Ăig im Fernsehen auf und konnten mit den leistungsstarken Sangesknaben der Republik in Jena, Dresden oder Frankfurt mithalten. Sogar eine viel beachtete UrauffĂŒhrung des Komponisten JĂŒrgen Golle âDie BĂ€umeâ gelang hier.
Voigt wusste, dass man einen Chor mit Kindern und Jugendlichen reifen lassen muss und nicht ĂŒberfordern darf. Dazu gehörte ebenso eine kluge Werkauswahl. An Bachs Motette âJesu, meine Freude hat er vier Jahre gearbeitet, bis sie auffĂŒhrungsreif war. Vertrauensvoll und vĂ€terlich streng sei sein Umgang mit den Jungs gewesen, wiewohl das Gewinnen und Begeistern nicht minder wichtig gewesen seien. FĂŒr einen GroĂteil seiner Knaben war es derart prĂ€gend, dass sie den Gesang in Ars Musica mit ihm fortsetzten. Bis auf den heutigen Tag.
[message_box type=“note“ icon=“yes“ close=“Hide“]Erschienen im Freien Wort 18.05.2007Autor: Lilian Klement[/message_box]