Kategorie: 2007

Kritiken aus dem Jahr 2009

Neueste Beiträge
2007, Kritiken

Welch’ ein Feierklang

Suhl – Besser hätten die Suhler gar nicht auf den heutigen Heiligen Abend eingestimmt werden können, als mit diesem gelungenen Konzert des Thüringer Männerchores Ars Musica gestern, am vierten Advent, in der Kreuzkirche. Die war wieder – wie in den Jahren zuvor – bis auf den letzten Platz gefüllt. Sogar Stühle mussten in das Kirchenschiff hineingetragen werden, weil unten die Sitzbänke all die vielen Besucher – trotz Aufforderung zum engeren Beieinandersitzen – nicht mehr aufnehmen konnten. Ein Gedränge, wie am Heiligabend. Der Männerchor weiß eine große Sympathiegemeinde in Suhl hinter sich. Dieses Konzert, dass schon seit vielen Jahren stets am vierten Advent erfreut, gehört zu Suhl wie der Waffenschmied auf dem Markt.

Und außerdem – wer hätte das gedacht? Als nach neunzig Minuten besten Chorgesangs die Zuhörer beglückt und in aufgekratzter Stimmung die Kirche verließen, da hatte der liebe Herrgott zur großen Überraschung feinsten glitzernden Schnee über Suhl ausgeschüttet, so dass zumindest nun in der Nacht auf Heiligabend das ersehnte Weihnachtsweiß die Landschaft überpuderte. Bilderbuchwetter am Vorabend des Festes, grad so, als ob die Männer von Ars Musica das herbei gesungen hätten.

Erstmals restaurierte Orgel dabei

Die Kreuzkirche ist fürs Weihnachtskonzert ihr Stammplatz. Doch in diesem Jahr kam ein besonderer Umstand hinzu. Erstmals erklang dabei in voller Schönheit die restaurierte Eilert-Köhler-Orgel. Für deren Wiederherstellung hatte sich auch Ars Musica in allen früheren Auftritten eingesetzt und Teile der Konzerterlöse immer wieder gespendet. Nun gab sie erstmals den feierlichen Rahmen für das Weihnachtsprogramm, das damit perfekt wurde, mit Glöckchenspiel und anderen reizvollen Klängen zum Auftakt und einem weiteren Werk mittendrin. Nur schade, dass den Zuhörern nicht mitgeteilt wurde, welche Stücke KMD Elisabeth Schubert eigens dafür ausgewählt hatte.

Chorleiter Hubert Voigt hat ein gutes Gespür für die Dramaturgie eines Konzertes, wenngleich die Spielräume bei weihnachtlichen Weisen natürlich nicht unbegrenzt sind. Da gesellt sich Traditionelles zu weniger Bekanntem, doch auch einige neue, für die Suhler unbekannte Werke kamen diesmal hinzu. So beispielsweise von Andreas Hammerschmidt (1612-1675) „Öffnet die Tore weit“. Eröffnet wurde das Programm mit einem Werk des 20. Jahrhunderts, Anton Schönlingers (1919-1983) „Winterklage“, ein getragenes Werk, das zu Herzen geht und Besinnung aufkommen lässt. Dann folgten Lieder, die einfach zu Weihnachten gehören, ob die Volksweise „Maria durch ein’ Dornwald ging“, Händels „Tochter Zion“, „Alle Jahre wieder“, „Adeste fideles“ oder „Kommet ihr Hirten“. Dazwischen Gounods kunstvolles „Ave Maria“ oder das schlichte „Ein Kind ist uns geboren“, ein typisch alpenländisches Weihnachtslied. Lieder, wie sie zum Repertoire guter Chöre einfach gehören.

Was dieses Konzert von Ars Musica erneut so besonders machte, war die gesangliche Qualität der mehrsätzigen Männerstimmen, die wiederum mit einem feinen, relativ hellen, warmen Ton beeindruckten. Hervorzuheben ist auch, wie Hubert Voigt die meisten Lieder anlegt. Die sind eher still und verinnerlicht in ihrer Gestaltung, auf die Reize der Tonschöpfungen bedacht und gehen gerade durch die Schlichtheit ihrer Interpretation sehr zu Herzen, indem sie alles Rührselige wohltuend beiseite lassen.

Natürlich singt das Publikum wieder mit, die beiden altbekannten Kanons „Hosianna“ und „Mache dich auf und werde Licht“ kennt man hier gut. Besser als mit „Stille Nacht, heilige Nacht“ hätte der Nachmittag nicht ausklingen können.

Am Ausgang spendeten die Suhler wieder für ihre Eilert-Köhler-Orgel. Und Ars Musica spendet die Einnahmen dieses Konzertes erneut, wie bereits 2006, für eine Armenschule in Santiago de Chile, die von der evangelisch-lutherischen Versöhnungsgemeinde ermöglicht wird. Das Geld, das die Sänger Ostern nächsten Jahres selbst übergeben wollen, dient diesmal dem Kauf von Schulbüchern. Mitmenschlichkeit ist Ars Musica Herzenssache.

[message_box type=”note” icon=”yes” close=”Hide”]Erschienen im Freien Wort 24.12.2010
Autor: Lilian Klement

[/message_box]

2007, Kritiken

500 Besucher erleben Hubert Voigts Sternstunde

WANGEN – Eine Sternstunde des Chorgesangs haben am Samstagabend in der St. Martinskirche 500 Besucher erlebt. Der Kammerchor der Jugendmusikschule und der Thüringer Männerchor “Ars Musica” boten anspruchsvolle Notenliteratur und stimmliche Qualität auf höchstem Niveau.


So schön und beglückend kann Chormusik sein! Eineinhalb Stunden lang Klangfülle zum Niederknien, saubere Intonation und stilistische Sicherheit zum Schwärmen, schmiegsame Dynamik und feine Gestaltung gerade bei den sakralen Gesängen zum den Atem anhalten! Herz, was begehrst du mehr? Aber der Mensch ist nun einmal unersättlich. Und so wirkte die Ankündigung, dass es auf jeden Fall ein Wiederhören geben wird, wenngleich Chorleiter Hubert Voigt nun in den Ruhestand gehen wird, wie ein Pflaster auf den Abschiedsschmerz.

14 Jahre lang war Voigt als Gesangslehrer und Chordirigent an der Jugendmusikschule tätig. Anknüpfend an seine jahrzehntelange Berufserfahrung als Leiter des Knabenchores der Suhler Philharmonie baute er in dieser Zeit einen Nachwuchschor, einen Knaben- und einen Mädchenchor auf. Aus Letzterem entstand 1998 der Kammerchor, dessen gesangliche Fähigkeiten 2005 beim internationalen Johannes-Brahms-Wettbewerb in Wernigerode mit dem “Silbernen Diplom” ausgezeichnet wurden.

Dass dies keine auf ein einziges Ziel hingeführte Leistung war, sondern sich wie ein kostbares Band von Auftritt zu Auftritt zog und zieht, dass bewiesen Voigt und die jungen Damen auch in Wangen. Ihr “Kyrie eleison” von Sylke Zymbel wurde ebenso fein wie andächtig, die englische Hymne “Herr, bleib bei uns” kam klar und ohne Makel, die Lieder von Robert Schumann und Johannes Brahms bestachen durch Liebreiz.

Im ersten Teil hatte “Ars Musica” mit ebenso innig wie feierlich gesungenem Lobpreis Gottes aufhorchen lassen. Besonders kam diese Kunst der sakralen Liedinterpretation beim “Kyrie” von Konstantin Türnpu zum Tragen. Oder bei Rolf Lukowskys “Ave Maria”, das so hingebungsvoll vorgetragen wurde, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Wie Hans Georg Nägelis “Motette” mit einem so hingehauchten “Amen” endete, dass sicherlich so mancher eine Gänsehaut bekommen haben dürfte.

Nachdem Ingeborg Kempter, langjährige Schülerin von Hubert Voigt und nun an der Hochschule ausgebildete Sängern, bei einem wunderschönen Magnificat (John Rutter) von Georg Enderwitz an der Orgel begleitetet worden war, vereinten sich die Chöre zu einem Ganzen. Zart schmelzend kam “Die Nachtigall” von Mendelssohn Bartholdy, das Herz berührend das “Fahr’ wohl” von Brahms.

Freude für Musik vermitteln

Die drei großen Chorwerke von Rachmaninow, Archangelski und Tschaikowski, die das Marienlob und die Verherrlichung Gottes zum Inhalt hatten, bildeten den strahlenden Abschluss des Konzertes. Es gab “Standing Ovations” und die Zusicherung auf eine Zugabe: “Ave Maria” von Anton Bruckner. Unübertroffen! “Sie sind die Perle im Kranz der JMS, die hoffentlich noch lange ihren Glanz behält!” Noch ganz unter dem Einfluss des “himmlischen Vortrages” dankte Verbandsvorsitzender Josef Köberle Hubert Voigt wie allen Sängern für ihr “Geschenk”. Und Mitwirkende Veronika Teufel bescheinigte dem Chorleiter: “Sie haben uns die Freude und das Gefühl für die Musik vermittelt und uns durch die Konzertreisen und die Treffen mit Ars Musica unvergessliche Erinnerungen ermöglicht!”

[message_box type=”note” icon=”yes” close=”Hide”]Erschienen in der Schwäbischen Zeitung 26.06.2007[/message_box]

2007, Kritiken

Ein Orgelfest mit Nachklang

Nach Tagen des Feierns kehrt nun der Alltag ein: Mit einem Abschlussgottesdienst ging gestern in der Kreuz- kirche die Festwoche aus Anlass der Wiedereinweihung der Eilert-Köhler-Orgel zu Ende.

SUHL – Dort, wo vor Wochenfrist die Feierlichkeiten für die restaurierte Königin der Instrumente begannen, fanden sich viele Suhler noch einmal zusammen, um die bewegende und in der Suhler Kirchengeschichte unvergessliche Woche mit einem ganz besonderen Gottesdienst ausklingen zu lassen. Und es schien, als könnten die Suhler von ihrer alten, neuen Orgel einfach nicht genug kriegen, denn einmal mehr strömten viele Besuchern und Gästen in das Kirchenschiff.

Vor allem die musikalische Umrahmung machte das Besondere dieses Gottesdienstes aus. Mit dem Thüringer Männerchor „Ars musica“ erfuhr KMD Elisabeth Schubert an der Orgel stimmgewaltige Unterstützung. Für die Sänger um Hubert Voigt war die Mitgestaltung eine Herzensangelegenheit, gehörten sie in den zurückliegenden Jahren doch zu den engagiertesten Unterstützern der Orgelsanierung. Bei ihren Weihnachtskonzerten kamen aus Eintrittsgeldern und Spenden beachtliche Summen zusammen, die einen gewichtigen Teil der Gesamtfinanzierung ausmachten. Deshalb sei man sehr froh, dass der Chor nun auch einen Anteil bei der Ausgestaltung der Festwoche habe, sagte Superintendent Martin Herzfeld.

Zur Festpredigt ließ er gestern gern Elfriede Bergrich den Vortritt. Die Pröpstin der evangelischen Propstei Erfurt-Nordhausen, von der die Orgelsanierung ebenfalls große Unterstützung erfuhr, hatte bereits am Freitag das Wandelkonzert von Elisabeth Schubert besucht und zeigte sich tief beeindruckt von der immensen Klangfülle des Instruments. „Diese Harmonie und dieser Reichtum ist ein Abbild der Fülle und Vielfalt Gottes“, sagte sie in ihrer Predigt. Mit großer Freude und Dankbarkeit sei sie nach Suhl gekommen. Nicht nur der Stadt und der Kirchgemeinde, sondern auch der Propstei habe die Wiedereinweihung der Orgel großen Aufwind gegeben. „Suhl ist mit Orgeln nun überaus üppig ausgestattet. Die Welt zwischen den beiden Kirchen mit ihren musikalischen Kleinoden muss diese nun verbinden. Mögen sie gespielt und gehört werden zum Lob Gottes, zur Auferbauuung der Gemeinde und zur Freude und Stärkung für ein fröhlich Herz der Kommenden“, sagte sie. In der zurückliegenden Woche habe sie Suhl kaum wieder erkannt. „Man hat gemerkt, welche Kraft die Musik hat.“ Gerade weil die Kirchenmusik so positiv ausstrahle, sei es wichtig, ihr genügend Raum zu geben. Dies müsse sich in der Personalpolitik der Kirchenprovinz widerspiegeln. „Da sollte man die Pfarrstellen den Kantor- und Organistenstellen nicht vorziehen.“

Nach der großen Aufgabe der Sanierung und der unvergesslichen Festwoche mit namhaften Organisten werde man sich nun der Aufgabe stellen, die Orgel im Alltag rege zu nutzen, blickte Martin Herzfeld voraus. „Die Sommerorgelkonzerte werden ihren Beitrag dazu leisten. Außerdem denken wir über sporadische, kurze Orgelandachten in der Mittagszeit nach.“

Was bleibt nach dieser Festwoche? „Ich hoffe, die fröhliche Atmosphäre in den Gottesdiensten. Und die erlebte Erkenntnis vieler Besucher, dass Kirche etwas Bereicherndes im Leben sein kann“, so der Superintendent, der nach eigenen Worten begeistert über die große Anteilnahme der vielen, vielen Konzertbesucher ist. Die Eilert-Köhler-Orgel habe in vollem Umfang gehalten, was Experten vor und während ihrer Sanierung versprachen. Dies mit eigenen Ohren gehört zu haben, sei ein sehr schönes, erbauendes Gefühl, so Herzfeld. Ein Gefühl, dass er mit vielen Suhlern und Orgelfreunden der ganzen Region nach einer unvergesslichen Festwoche teilt.

[message_box type=”note” icon=”yes” close=”Hide”]Erschienen im Freien Wort 11.06.2007

Autor: Georg Vater

Foto: frankfoto.de

[/message_box]

2007, Kritiken

Die wunderbaren Flügel des Gesangs

ARS MUSICA UND ALLGÄUER KAMMERCHOR – So schön kann ein Abschiedskonzert sein: Glänzende Augen und Dankesworte an Hubert Voigt

Es gibt Konzerte, da muss man erst von deren Ende schreiben, bevor man zum Anfang kommt. Weil dies etwas mit ihrem besonderen Charakter und dem Ort zu tun hat. So wie jenes am Sonntag in der Hauptkirche. Noch dazu, wenn Abschied im Spiele ist.
SUHL – Weil nämlich einer seinen Abschied gibt, der nicht mehr in dieser Stadt wohnt, aber dennoch nicht von ihr lassen kann. Weil Menschen dieser Stadt ihn feiern, ihm Danke sagen und ihn an ihr Herz drücken. So, als sei er doch nie weg gewesen.

Das ist schon eine eigentümliche Situation.
Als erster bedankt sich Superintendent Martin Herzfeld für Hubert Voigts und Ars Musicas Treue zu Suhl. Herzfeld, der 2002 hierher kam, weiß wenig um die Vorgeschichte, aber um die wunderbaren Konzerte alljährlich in der Kreuzkirche, und er weiß um die Unterstützung von Voigt und seinen Sängern für die Eilert-Köhler-Orgel. Auch dank der Konzerte dieses Chores, verbunden mit Spenden von Bürgern, kamen beträchtliche Summen für die Restaurierung zusammen. An jenem Sonntag noch einmal rund 500 Euro, die beim Orgelbauförderverein willkommen sein dürften. Herzfeld bekommt glänzende Augen, wenn er von seiner Freude über dieses Konzert spricht, das er nicht vergessen wird.

Bach und Wein Auch Kulturamtsleiter Matthias Rolfs hat glänzende Augen. Er überreicht Hubert Voigt einen guten Tropfen Wein aus jenem Gebiet, das der Musikpädagoge seit vierzehn Jahren genauso gut kennt wie die Suhler Umgebung, und Noten eines Komponisten, der Thüringen ebenfalls gut kannte: Johann Sebastian Bach. Beifall vom Publikum. Doch dann spricht Rolfs den Zuhörern so eigentlich aus dem Herzen. Er lobt Voigt als einen Künstler, der mit Leidenschaft an seinem Beruf hänge und dem die hiesigen Bürger viel verdankten. „Herr Voigt, Sie haben sich die Treue, den Respekt und die Liebe der Suhler erworben – das schafft hier nicht jeder.“

Tosender Applaus dafür, als sollte damit jedes Wort nochmals extra unterstrichen werden. Die Suhler, die an jenem Nachmittag auf den Kirchenbänken sitzen, wissen, warum sie kamen. Weil sie sich Hubert Voigt verbunden fühlen, weil sie seine Arbeit schätzen und weil sie in Erwartung eines besonderen Erlebnisses sind. Das sie auch bekommen. Am Ende große Freude auf allen Gesichtern – beim Publikum, das begeistert stehend applaudiert, und bei den Akteuren, die so viel Herzlichkeit und Sympathie vielleicht nicht unbedingt erwartet hatten. Und mittendrin ein sichtlich ergriffener Hubert Voigt. So schön kann ein Abschied in Suhl sein.

Da möchte man doch gar nicht daran rühren, dass es vor vierzehn Jahren allen Ernstes Stimmen in der Stadt gab, die Konzerte von Ars Musica zu boykottieren … „Die Zeit ist ein sonderbar Ding“, das wusste schon Straussens Marschallin im „Rosenkavalier“.

Die Zeit, sie ist auch für Voigts aktives Berufsleben abgelaufen. Der Ruhestand in Sicht. Bei ihm dürfte es eher ein Unruhe-Zustand werden. Denn wer solche großartigen Chöre geformt hat, wie diese beiden, der dürfte nicht sogleich loslassen wollen. Und weil Ars Musica und dieser vorzügliche Mädchenkammerchor der Jugendmusikschule „Württembergisches Allgäu“ in Wangen diese zweite Lebensleistung Voigts – nach dem Suhler Knabenchor – so wunderbar widerspiegeln, war es naheliegend, sie in einem gemeinsamen Konzert zu vereinen. Hört her – so können Chöre klingen, wenn man Kraft, Können und Leidenschaft investiert. Und wenn man junge Menschen auf einen anstrengenden, aber lohnenden künstlerischen Weg mitzunehmen versteht.


Ein Konzert zweier Amateurchöre dieses Niveaus dürfte so bald in Suhl nicht wiederholbar sein. Ars Musica war auf den Punkt präsent, wie es wohl nur Auftritte unter besonderen Umständen ermöglichen. Opulente, relativ helle Tonfülle, flexible Dynamik, saubere Intonation und stilistisch sicher in den geistlichen Gesängen zwischen Altem Musiker Purcell und Neutöner Lukowsky. Türnpus verhaltendes „Kyrie“ – ein Musterbeispiel an stimmlicher Beweglichkeit und feiner Gestaltung.

Exzellent die hell strahlenden Mädchen- und Frauenstimmen. Schumanns „Wassermann“ so betörend, beinahe naiv und dennoch abgründig zu singen, das funktioniert nur, wenn die Stimme solistisch trainiert ist und beherrscht wird. Auch Brahms „Vier Lieder aus dem Jungbrunnen“ sind Herausforderungen, die eines soliden Fundamentes bedürfen. Im letzten Teil des Programms setzt Voigt dann ganz auf die Klang-Besonderheit eines gemischten Chores. Und aufs effektvolle Repertoire, wozu zweifellos Gesänge der russischen Liturgie gehören. Die hat sich Ars Musica schon vor Jahren in beeindruckender Wiedergabe erobert. Mit den kontrastierenden weiblichen Stimmen bekommen Tschaikowskis und Archangelskis Liturgien zudem einen ganz eigentümlichen Reiz. Und wenn sie nicht so inniglich und schlicht gesungen worden wäre – man hätte diese Zugabe von Bruckners „Ave Maria“ fast ein wenig als koketten allerletzten Schlusspunkt einer wunderbaren Begegnung auf den Flügeln des Gesangs empfinden können. Aber eben nur fast.

[message_box type=”note” icon=”yes” close=”Hide”]Erschienen im Freien Wort 23.05.2007
Autor: Lilian Klement
Foto: frankfoto.de
[/message_box]

2007, Kritiken

Ein großes Ständchen zum Abschied

ARS MUSICA UND ALLGÄUER KAMMERCHOR

Ein Suhler ist er schon lange nicht mehr. Doch es zieht ihn immer wieder in die Stadt zurück, der er vor vierzehn Jahren nur ungern den Rücken kehrte und ihr trotzdem etwas hinterließ: den Knabenchor. Der wäre ohne Hubert Voigt undenkbar.

SUHL – Auch wenn der Chor heute ein anderer ist als damals, 1992, auf seinem Höhepunkt.

Zwanzig mühsame Jahre hatte Voigt dorthin gebraucht. Es brauchte keine zwanzig Jahre, ihn wieder in die künstlerische Bedeutungslosigkeit versinken zu lassen. Für die Stadt ist er sicher weiter eine reizvolle Facette im Gefüge der verschiedenen Chöre, aber nicht mehr jene Perle, die sie einstmals war.

Ein Teil dieses Knabenchores, der 1972 entstand, lebt heute in Ars Musica weiter, bis auf zwei sind alle Männer durch Voigts Schule gegangen. Ars Musica ist eine verschworene, über Jahrzehnte verbundene Gemeinschaft, ein erstklassiger, preisgekrönter Männerchor mit Suhler Wurzeln. Ob der entstanden wäre, wäre Voigt nicht vergrault worden? Aber wie so vieles im Leben hat jedes Ding zwei Seiten. In diesem Falle Ars Musica.

Und weil das so ist, gibt es für den 64-jährigen Hubert Voigt gute Gründe, seinen beruflichen Ausstand im Sommer nicht nur in der neuen Heimat Wangen mit einem feinen Konzert zu geben, sondern auch in Suhl. Jene Stadt, die er von 1969 bis 1993 als Chorpädagoge maßgeblich prägte. Der er eine gewisse Treue hielt, und sei es nur mit den monatlichen Proben von Ars Musica im Heinrichser Gemeindehaus und ein bis zwei Konzerten jährlich. Das jüngste fand unmittelbar vor Heiligabend in der Kreuzkirche statt und war wie so viele Jahre zuvor ein Selbstläufer beim Publikum.

Der Auftritt an diesem Sonntag in der Hauptkirche ist für Voigt nicht nur deshalb ein ungewöhnlicher, weil er sich in den „Altersruhestand“ zurück zieht, wie er sagt, sondern auch, „weil es in den Sternen steht, ob ein Programm dieser Gestalt überhaupt noch einmal denkbar wäre“.

Was Hubert Voigt spricht, klingt ein wenig verrätselt, klärt sich aber, wenn man auf die Mitwirkenden und auf den Inhalt schaut. Neben Ars Musica kommt der Kammerchor der Jugendmusikschule „Württembergisches Allgäu“ in Wangen nach Suhl. Eines jener leistungsstarken Ensembles, die Voigt dort zielstrebig aufgebaut hat. Die Mädchen sind bekannt für ihr exzellentes Singen, beim internationalen Johannes-Brahms-Wettbewerb 2005 in Wernigerode erhielten sie ein Silbernes Diplom. Beide Chöre bringen einen eigen Programmteil zu Gehör und gestalten zudem einen gemeinsamen Part.

Lebensleistung

Ars Musica hat dafür Werke des 17. bis 20. Jahrhunderts ausgewählt – von Henry Purcells „Lobt den Herrn der Welt“, über „Cantate“ von Richard Strauss bis zum „Ave Maria“ von Rolf Lukowsky. Der Kammerchor aus dem Allgäu hingegen setzt den Schwerpunkt mit romantischem Liedgut, beispielsweise Brahms‘ „Vier Lieder aus dem Jungbrunnen“. Der gemeinsam gesungene Teil beginnt mit Felix Mendelssohn Bartholdys „Die Nachtigall“ und endet mit einer Liturgie von Tschaikowski.

Einen zusätzlichen Reiz erfährt das Konzert eben durch jene Mischung der Stimmen, von denen die jüngste weiblich und fünfzehn ist und die älteste vierzig und männlich.

Voigt merkt man schon am Telefon die besondere Freude auf diesen Auftritt an. Selbst wenn das Programm am Samstag bereits in der Erfurter Reglerkirche erklingt – Suhl ist eben noch immer ein besonderes Pflaster für ihn. Hier hat der ehrgeizige wie fähige Pädagoge und Künstler den größten Teil seiner Lebensleistung gebracht, und hier ist er in gewisser Weise darum gebracht worden. „Der Knabenchor war mein Fleisch und Blut“, bekennt er selbst nach vierzehn Jahren noch.

Nein, er hadert nicht mehr, dass Suhl damals leichtfertig eine Chance vertan hat, dem seinerzeit außergewöhnlich hohen Niveau des Knabenchores eine Perspektive zu geben. Voigt hatte sie in der Anbindung an das Herder-Gymnasium gesehen. Das Kultusministerium – damals mit Dieter Althaus als Minister – war bereit, die Weichen zu stellen. In Suhl winkte man ab. Was hätte heute sein können …

Der Knabenchor wurde zu DDR-Zeiten – 1977 – dank des damaligen Chefdirigenten der Philharmonie, Siegfried Geißler, an das Orchester angegliedert, Voigt bekam dort eine Stelle. Der erfahrene Chefdirigent wusste sehr wohl, warum er dies tat. Er sah die Möglichkeiten und Potenzen des sich entwickelnden Ensembles, und er sah, dass da einer war, der die Fähigkeiten hatte, aus der 1972 gegründeten Sangesgemeinschaft von kleinen Jungs einen veritablen Knabenchor zu machen und dafür die richtigen Bedingungen brauchte. Einen Chor nach internationalem Vorbild war Voigts klares Ziel.

Motivieren, Begeistern

Die Zukunft sollte zeigen, dass Geißler recht behielt. Allmählich formten sich das Klangbild, der Ton, die Ausstrahlung. Der Name „Suhler Knabenchor“ erlangte einen guten Ruf, die Suhler traten regelmäßig im Fernsehen auf und konnten mit den leistungsstarken Sangesknaben der Republik in Jena, Dresden oder Frankfurt mithalten. Sogar eine viel beachtete Uraufführung des Komponisten Jürgen Golle „Die Bäume“ gelang hier.

Voigt wusste, dass man einen Chor mit Kindern und Jugendlichen reifen lassen muss und nicht überfordern darf. Dazu gehörte ebenso eine kluge Werkauswahl. An Bachs Motette „Jesu, meine Freude hat er vier Jahre gearbeitet, bis sie aufführungsreif war. Vertrauensvoll und väterlich streng sei sein Umgang mit den Jungs gewesen, wiewohl das Gewinnen und Begeistern nicht minder wichtig gewesen seien. Für einen Großteil seiner Knaben war es derart prägend, dass sie den Gesang in Ars Musica mit ihm fortsetzten. Bis auf den heutigen Tag.

[message_box type=”note” icon=”yes” close=”Hide”]Erschienen im Freien Wort 18.05.2007Autor: Lilian Klement[/message_box]